Terry Gilliam
Gilliamesque
Meine Präposthumen Memoiren
Wilhelm Heine Verlag, 2015
Diese autobiographische Skizze gewährt einen Blick in die Wunderkammer, aus der Terry Gilliam mit aberwitziger Fantasie und nicht enden wollender Energie Ideen freisetzt. Gilliams streng schauendes Konterfei ziert das Cover und aus seinem abgesäbelten Schädel fliegen die Gestalten seiner Filme, Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel, Jill Layton aus Brazil, getragen von metallenen Schwingen, Harpyien-gleich, Don Quijote auf Rosinante und ein antik anmutender, gezeichneter Fuß. Mit seinen Zeichnungen, Sketchen und Cartoons
zerlegt Gilliam das Leben wie ein verrückt gewordener Alchemist und fügt es in seinen
Filmen in lebendigen Bildern wieder zusammen: „Ich arbeitete Nacht für Nacht, und in den frühen Morgenstunden ergaben sich die Szenen dann plötzlich wie von selbst. Plötzlich entstand aus der Beziehung zwischen zwei Objekten eine ganz neue Bedeutung, deren Sinn mir allerdings selbst nicht klar war.“
Gilliams Memoiren lesen sich wie ein Rezeptbuch. Sie erlauben, die Entstehung seiner Filme in einzelnen Schritten nachzuvollziehen und beinhalten die Zutaten, um weitere unzählige Filme in dieser Hexenküche zusammenzurühren.
Als Reaktion auf seine unkonventionellen und kritischen Filme, die viel Reibung erzeugen, ist er in Hollywood als Schmuddelkind verschrien und wird von Investoren als schieres Wagnis angesehen. Ein Blick auf seine nicht
vollendeten, gescheiterten und doch wieder neu aufgenommenen Filmen zeigt, mit welcher Hartnäckigkeit der große Ideenkoch seiner Arbeit nachgeht, auch wenn ihm im letzten Moment der Geldhahn zugedreht
wird. Und doch stellt Gilliam mit viel Selbstironie fest, dass die Schwierigkeiten der Finanzierung ihn mit Sicherheit vor der Realisierung manch eines schlechten Films bewahrt habe.
Der Regisseur der Monty Pythons hat die Kollage, wie sie durch den Vorspann von
Das Leben des Brian und Der Sinn des Lebens zu seinem Markenzeichen geworden
ist, zu seiner ganz eigenen Kunstform gemacht. Nicht nur die gezeichneten Kollagen des gelernten Cartoonisten sind hier gemeint, seine, von Skurrilität, Fantasie, gesellschaftlicher Kritik und utopischen Sehnsüchten strotzenden Filme zerlegen ebenso unsere alltägliche Wirklichkeit und setzen Sie wieder neu zusammen. Was dabei herausgekommen ist, ist
der bitterböse und schonungslose Humor des britisch-amerikanischen Komikertruppe.
Neben dem Komischen, Schmerzhaften und Kritischen ist Gilliam immer auf der Suche nach einem essentiellen Punkt, auf den es ihm ankommt. David Crosby, der Gitarrist der legendären
Band Crosby, Still, Nash and Young erzählte Gilliam, dass sein Film König der Fischer eine Art
kathartische Erfahrung für ihn war und ein Jahre andauerndes Schuldgefühl von ihm genommen
habe. Gilliams Herzensprojekt
Tidelands, was zu seinem Bedauern kaum in die Kinos gekommen ist,
zeigt, wie ein kleines Mädchen in einer verstörenden Umgebung heranwächst, ihrem Vater letzlich die Spritze mit Heroin zum Goldenen Schuss aufzieht und sich
dennoch eine unberührte Innerlichkeit bewahren kann.
Der Klamauk, das Schrille, die Boshaftigkeit und Brutalität der Welt sind bei Gilliam nie Selbstzweck sondern
eine Auseinandersetzung mit unsereren Realitäten in einem gänzlich unsentimentalen aber umso ehrlicheren Idealismus.
Mit viel Humor mit Biss und viel Eigensinn führt Gilliam mit Anekdoten, Fotos, Skizzen und Kommentaren durch sein Gesamtwerk –
„We have ways to make you laugh“ – was sich in dieser herrlich schwebenden
Lektüre bewahrheitet.
(hk)
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