Teju Cole
Open City
Aus dem Amerikanischen
Christine Richter-Nilsson
Suhrkamp Verlag, 2012
Wenn die Hauptfigur aus Open City durch New Yorks Straßen und Parks wandert, verleiht Cole ihm
seinen, im eigenen, fotografischen Blick und seine innere Resonanz. Ein
ungewöhnliches, unorthodoxes Erleben dieser Stadt wird hier
wiedergegeben. Unwillkürlich wird der Leser in diese exklusive Schau
hineingezogen und verzaubert.
Am New Yorker Himmel sucht der stadtwandernde Erzähler in Open City
nach Zeichen. Er verfolgt beispielsweise die „natürliche Migration“ der
Zugvögel, oder, wie im Kontrast zu den Menschenmassen, die „wie einem
widernatürlichen Todestrieb“ folgend, in die katakombengleichen U-Bahnen
zu strömen scheinen, entdeckt er über einer Hecke in der Luft einen
Bienenschwarm, der ihn an den höchsten Gott der Yoruba-Religion,
Olodumare erinnert. In der nigerianischen Heimat seines Vaters, wo
der Ich-Erzähler, wie Teju Cole selbst, einen Teil seiner Jugend
verbrachte, sagt man, dass Olodumare einem Bienenvolk gleich im
Himmel sitzt. Hier wird der alltäglichen Umgebung fast sakrale Bedeutung
verliehen, ganz wie es in Gaston Bachelars Buch Poetik des Raumes
entwickelt wird. Cole inhaliert die Stadt und verknüpft Beobachtetes mit
Assoziiertem seiner Lebenswelt: Kunst, Musik, Literatur, Begegnungen mit
Menschen und verflicht sie in die inneren Betrachtungen seines
Protagonisten.
New York wird mit Handschriften des Mittelalters verglichen, die, damit
die kostbaren Blätter erneut verwendet werden konnten, immer wieder
abgekratzt und neu beschrieben wurden. Alle Orte, wie man sie vorfindet,
sind einmalige Ausschnitte der Zeit. Viele davon, wie auch die Stelle,
an dem die Zwillings-Türme gestanden hatten, bestehen aus vielen
Schichten von Siedlungen und Bauten, die manchmal bis in die Zeit der
Native Americans zurückreichen, vor der Eroberung des Kontinents durch
die Europäer. Immer schon wurde in New York Älteres abgetragen oder
gewaltsam zerstört und Neues darüber errichtet.
Die Übersetzung ins Deutsche, mit einer sehr stimmigen Sprache, die eine
dem Original ganz nahe kommende Stimmung erzeugt, ist mehr als
gelungen. Teju Cole hat selbst darüber „gewacht“, den er wollte ohne
Alternative, dass Christine Richter-Nilsson Open City ins Deutsche
bringen sollte. (bpk)
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