George Tabori
Autodafé und Exodus
Erinnerungen
Autodafé aus dem Amerikanischen von Ursula Grützmacher-Tabori
Verlag Klaus Wagenbach,
2014
Kurz nach George Taboris Geburt in Budapest wollte sein Bruder, Paul,
damals noch ein kleiner Junge, den Neugeborenen der Donau und seinem
weiteren Geschick anvertrauen. Er begründete sein Tun mit der Geschichte
von Moses, „der als Kleinkind auch auf einem Fluß trieb.“ Die bestürzten
Erwachsenen konnten diese frühe Abschiebung verhindern. Über zwei
Jahrzehnte später fädelte Taboris Vater, Cornelius Tabori, die
Auswanderung seines Sohnes ein. Er schlug ihm vor, nach Sofia zu reisen
und eine Stelle als Auslandskorrespondent anzunehmen. Das rettete George
Tabori vor den Nazis, denen der Vater nicht entkommen konnte.
Die Jahre seines Exils, mit den Stationen Sofia, Istanbul und Jerusalem,
nennt Tabori die „schönsten und aufregendsten“ seiner Jugend, „dabei war
Krieg und was mit meinen Eltern und Verwandten passierte, ist eine
andere Geschichte“. Von dem Zeitpunkt an, als er diesen Widerspruch
wahrgenommen hatte, wurde sein Leben davon bestimmt. Und doch, oder
vielleicht gerade deswegen, besticht seine klare Sprache mit dem zu
gleichen Teilen feinen und schwarzen Humor.
Taboris Lebenserinnerungen scheinen sich auf unzähligen Bühnen
abzuspielen. Alle Beteiligten bewegen sich wie Schauspieler, auch er
selbst. Das Leben, nicht er, ist hier der „Spielleiter“. Ununterbrochen
verweben sich Komödie, Tragödie und absurdes Theater, Freude und Trauer,
„Lieb und Bös“.
Am 24. Mai geboren, sieht Tabori sein Zwillingszeichen ganz alltäglich
in sich wirken. Nach einem ungeheuerlichen Traum von seinem in Auschwitz
getöteten Vater, nennt er den seiner Zwillinge in sich „böse“, der am
darauf folgenden Tag zu Banalitäten übergehen will. Der „liebe“ Zwilling
ist dagegen, ob des Traumes so bewegt, dass er sich erbricht.
Die stille Liebesgeschichte des 18jährigen zu der Tochter eines
Hotelbesitzers in Berlin, wo Tabori eine Hotellehre begonnen hatte,
lässt ihn „die marschierenden Stiefel und die ausgemergelten Körper
vergessen“ und nennt das die „ Wonne eines Dummkopfes“.
Deutlich wird in den Erzählungen die Distanz, die Tabori zu dem
empfindet, was er erzählt, zu den Personen, die er beschreibt, zu sich
selbst. Er formulierte einmal, ein Schriftsteller, der nach seinem
Geschmack wäre, müsse ein Fremder sein.
Maria Sommer, die 92jährige Verlegerin, die Tabori schon Ende der
1960iger Jahre kennen lernte und sein skandalträchtiges Stück „Die
Kannibalen“ zum ersten Mal in Berlin auf die Bühne brachte, hat das
Nachwort zu seinen Erinnerungen verfasst. (bpk)
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