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Susan Taubes  
Prosaschriften
 
Schriften von Susan Taubes
Band 3 

übersetzt aus dem Amerikanischen von Werner Richter
herausgegeben und kommentiert von Christina Pareigis



Wilhelm Fink Verlag, 2015

Gegen Ende der Klage um Julia, der längsten Geschichte dieser Sammlung, scheint die Lösung ganz einfach zu sein. „Ich muss aufhören, mit mir selbst zu sprechen“ gesteht sich die Erzählerin ein, die manchmal auch ein Erzähler ist. Nur erweist sich diese Lösung, nach dem inneren Inferno von Wünschen und Ängsten, dem sich die Erzählerin und Julia – sie sind ein und die selbe Person, aber entzweit –  auf den gut 100 vorangegangenen Seiten stellen müssen, als nie realisierbarer, blasser Vorsatz.
Susan Judith Taubes, Enkelin eines Großrabbiners und Tochter des Psychoanalytikers Sándor Feldmann, wurde 1928  als Judit Zsuzsanna Feldmann  in Budapest geboren und emigrierte mit ihrem Vater, 1939, in die USA. Von 1949 bis 1961 war sie mit dem Philosophen und Judaisten Jacob Taubes verheiratet; 1956 promovierte sie selbst in Philosophie. Die elf hier vorgestellten Prosatexte entstanden zwischen 1957 und 1969, dem Jahr ihres Todes, und fallen mehrheitlich in die Zeit, als sie die philosophische Befassung hinter sich gelassen und sich auch von ihrem Mann, zu Beginn der 60er Jahre, getrennt hatte.
In einem handschriftlichen Vermerk zu einem Lebenslauf, den Susan Taubes 1964 ihrem Literaturagenten schickt, schlägt sie vor, ihre wissenschaftliche Karriere nicht besonders zu betonen, da sie sowieso vorüber sei. Eine Begründung für ihre Abwendung von der Philosophie findet sich schon in dem 1961 begonnenen, oben zitierten Werk. Sie schreibt: „Ich meine die Frau unter der Frau, die ich ihr aufgehalst habe, die echte Julia, oder in diesem Fall die nicht-ganz-echte Julia, aber dennoch Julia, gab es doch diese langen Phasen, in denen ich mich von ihr abwandte und mich mit Philosophie beschäftigte.“ Das Denken in philosophischen Begriffen empfindet sie wie einen falschen Mantel über ihrem wahren Selbst und wie eine Verhinderung ihrer poetischen Bestimmung.

Es findet sich wenig Fiktion in diesen Prosatexten, alles scheint dem eigenen Leben abgerungen zu sein: die häufig geschilderte Opfersituation vor dem sezierenden, dabei völlig verständnislosen Blick des Psychiaters, des Vaters, der Verlust des Landes und der Sprache ihrer Kindheit, der Zwang zum Selbstgespräch und zur Selbstentzweihung, dazu die unbedingte Bereitschaft in ihre seelischen Abgründe zu tauchen um aus ihnen Poesie zu schöpfen - „Ich sah mich selbst wie Mehltau über die Äcker kriechen, die Brunnen vergiften.“ Der kompromisslose Umgang mit ihren ureigenen Stoffen, der dem Zwang, den die inneren Verwicklungen auf die Dichterin ausüben, damit begegnet, sie zu einem schonungslosen, ihre Lebenskatastrophe schon ankündigenden Selbstbild zu gestalten, ist tief berührend. In ihrem 41. Lebensjahr ertränkte sich die Schriftstellerin vor Long Island. 
Der schriftliche Nachlass von Susan Taubes befindet sich im Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung und wird von Sigrid Weigel und Christina Pareigis erforscht und veröffentlicht. (ak)

 

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 Stand: 10. März 2016