Scott McCloud
Der Bildhauer – graphic novel
Carlsen-Verlag,
2015
Ein Pakt mit dem Tod verleiht dem jungen Künstler David Smith die Gabe mit seinen bloßen Händen Granit wie Butter zu formen. Wie Gischt spritzt der Stein unter den Händen des Künstlers auf und erstarrt zu Bildern aus seinem Leben. Als Gegenleistung für das Talent, das ihm Ansehen, Ruhm und einen zeitlosen Platz im Gedächtnis der Kunst einbringen soll, willigt er ein, sein Leben, seine Schaffenszeit, auf 200 Tage zu konzentrieren und ein
frühes Ende zu finden. Er gibt sein Leben für die Kunst.
Das Bild des Versagers aus dem Superheldengenre, der durch ein übernatürliches Geschick zum Herrn über die Materie wird, vermischt sich mit dem Motiv eines existentiellen Konfliktes. Der Künstler, der zum einen von der Gesellschaft unverstanden bleibt, zum anderen aber auch unfähig ist, das Absolute, das das Ziel seines ganzen künstlerischen Strebens ist, tatsächlich zu
realisieren.
Mit der Verkürzung der Lebenszeit des Helden und seiner Kenntnis vom Zeitpunkt des eigenen Todes gewinnt die Graphic Novel eine dramatische Komponente, die zugespitzt die Frage des Lebens überhaupt stellt: Wie kann man leben und lieben und zulassen, dass andere sich in einen verlieben, wenn der unausweichliche Tod in
Kürze alle Freude in umso größeres Leid verwandeln wird?
Das Portrait des „sturen, zwangsgeplagten, egozentrischen, anstrengenden jungen Mannes“, seine Unreife und sein Geltungsdrang bringt nicht nur die Mitmenschen des gezeichneten New Yorker Künstlermilieus gegen ihn auf, sondern strapaziert auch die Geduld des Lesers. Allmählich führt der Handlungsstrang, eine vorsichtig entwickelte Idee, zu dem Punkt, an dem der unbedingte künstlerische Moment, in dem der Künstler, koste es was es wolle, schaffen muss, sich mit der Unbedingtheit eines Kusses zweier Liebender verflechtet. Wie der Kuss der Muse den Künstler engelsgleich aus seiner menschlichen Begrenzung heraushebt und ihn Großes schaffen lässt, befreit der Kuss die Geliebten, aus den Untiefen ihrer existentiellen Ängste und Verwirrungen.
McCloud ist eine feste Größe in der Comicwelt, unterrichtet und schreibt Sekundärliteratur zum Thema.
Der Bildhauer hat autobiographische Züge, die, wie der Zeichner selbst es ausdrückt, den Ausgangspunkt bilden, der, wo es der Plot des graphischen Romans verlangt, sich in die Fiktion hinein öffnet.
(hkl)
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