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Sigmar Polke 
Alchemie und Arabeske

Mit Texten von Helmut Friedel und Barbara Vinken,
sowie einem Interview von Bice Curiger mit Sigmar Polke 


Schirmer Mosel Verlag, 2017  

Die Sprache in den Bildern von Sigmar Polke (1941-2010) ist so komplex wie die Möglichkeiten der Materialien, die er verwendete  und die Spielarten der Ideen, die er aus den unterschiedlichsten Quellen schöpfte. Mit  tiefgehendem Humor und mit Esprit erforschte, probierte, kombinierte er alles was er finden oder aufstöbern könnte.
 Seine alchemischen Experimente spiegeln reine Experimentierfreude und Begeisterung für das Risiko wider. In einem 1984 aufgezeichneten Gespräch mit Bice Curiger, das in diesem Band abgedruckt ist, besteht Polke, auf die Frage nach seinem Interesse an giftigen Farben und gefährlichen Stoffen, auf der „Brillianz“ des alten Schweinfurter Grüns, das wegen seiner starken toxischen Eigenschaften heute nicht mehr produziert wird. Polkes Ironie dazu: „man hat Harmloseres und hat auch harmlosere Kunst“. Im Katalog belegen 4 monochrome Filmstils in rot – gelb – grün – blau, aus Polkes 16mm Film von 1990, in dem er mit giftigen Farben und Chemikalien hantiert, was er mit der Brillianz dieser giftigen Farben meinte.
 Auf  der Ebene des Materials, des Produktionsvorgangs und des Ergebnisses gilt Polkes vorrangiges Interesse der Umgestaltung von Vorhandenem, Polke ist ein großer Verwandler. In Lieber Eberhard! Damit dem Kunibert das Licht leuchtet voran, einer kleinen Serie von Fotokopierarbeiten, verändert Polke das kopierte Bild durch Verziehen und Verschieben des Vorlagenblattes – die Zeichnung einer Madonnen gleichen Frauenfigur mit Kerze – und bringt in die verschiedenen Kopien Biegungen, Verdopplungen, Unschärfen hinein, die in der Bilderabfolge wie Bewegungen empfindbar sind. Auch in eine größere Serie von „Rankenfotografien“, die an Karl Blossfeldts Urformen der Kunst erinnern, bringt Polke scheinbar Bewegung. Bei ihm tanzen die Pflanzenranken, exstatisch, betrunken.
 Wenn er eine alte malerische Filmplakat-Illusion mit zwei Starlets und einem Filmbeau auf einen wandgroßen, brarock gestreiften Matratzenstoff bannt, dann webt er die Schönen ironisierend in den Stoff hinein, so dass sie wie aus einer häuslichen Tapete herauszutreten scheinen. Oder wenn er in dem Bild, Hannibal mit seinem Panzerelefanten, in eine strahlende Lichtlandschaft, wie in einem Suchbild, einen umgekehrten phönizischen Kampfelephanten montiert, schafft er durch diese Überlagerung eine ganz andere Dimension, eine historische Zeit ins Bild hinein. In seinem Eingangsessay fasst das Helmut Friedel so: „Sigmar Polke muss diesen Zustand des Schwebenden, Unvollendeten, Reversiblen, des Möglichen geliebt haben“.
 Polkes Arbeiten, in denen Gegensätzlichkeiten ironisierende Collagen hervorbringen oder schiere Komik ausdrücken, seine  Bilder mit wunderbarer Subtilität oder mit spielenden Bezügen auf alte Meister, seine Studien mit giftigen fluorisiernden Farben, alle zeigen, dass für ihn die Materie, mit der er arbeitet, grenzenlos ist, aber auch, dass  sein Inspirations – und Imaginationsreservoir unerschöpflich zu sein scheint.
 (bpk)

 

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2017 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Stand: 17. Oktober 2017