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Gebr. Mann Verlag, 2013


Der flämische Stilreformer, Architekt und Designer Henry van der Velde (1863-1957) war 1903, nach seinem Umbau der Villa Silberblick zum Nietzsche-Archiv, so etwas wie der „Hofkünstler“ des „Neuen Weimar“ geworden, eines Kreises, der sich um Elisabeth Förster-Nietzsche scharte und dem zeitweise weitere illustre Persönlichkeiten, wie Rudolf Steiner oder Harry Graf Kessler angehörten. Es war die Zeit eines, von der Schwester des Philosophen nach Kräften geförderten, ausufernden Nietzsche-Kultes, der nahezu alle reformerischen Kräfte, von rechts bis links, erfasste. Das Münchner Künstlerviertel Schwabing sei um 1900 von „Übermenschen regelrecht übervölkert“ gewesen.
Auch unter Architekten hatte Nietzsche zahlreiche Anhänger. Adolf Loos, Bruno Taut und Le Corbusier zählten dazu und noch vor van de Veldes Prachtausgabe von „Also sprach Zarathustra“ für den Inselverlag, hatten August Endell und Peter Behrens an Illustrationen für Nietzsche-Werke gearbeitet.

Widmet sich die vorliegende Arbeit zum einen allgemein dem Nietzschekult des frühen 20. Jahrhunderts, so verfolgt der Autor andererseits das konkrete Vorhaben einer „archäologischen Grabung“ in Nietzsches Texten nach dessen Gedanken zu Kunst, Architektur und Gebrauchsobjekten, um sie mit den theoretischen Schriften van de Veldes, seinen Texten zur Gesellschafts- und Kulturkritik und zur Lebensreform zu konfrontieren. Berührung und Inspiration für van de Velde seien in den anarchistischen Denkansätzen Nietzsches, seiner Kritik an Historismus und Gründerzeit, der Frage der artistischen Selbstbildung und Selbstüberwindung, dem Thema der „Neue Mensch“, dem Problem des Stils, dem Phänomen der Décadence, u.a. gegeben.
Noch ehrgeiziger scheint der Versuch des Autors die bauliche und gestalterische Tätigkeit van de Veldes als Transfer von philosophischen Gedanken zum künstlerischen Experiment, zum Bild, zum Objekt, zum Gebäude zu beleuchten. Die Idee des programmatischen Bauens, des philosophisch informierten Designs wird an Farbtafeln veranschaulicht, die Beispiele des buchkünstlerischen Werkes van de Veldes und das von ihm gestaltete Interieur des ehemaligen Nietzsche-Archivs und heutigen Museums abbilden.

Die 624-seitige, gut zu lesende Untersuchung, die leider auf einen Personenindex verzichtet, geht auf eine Doktorarbeit aus dem Jahr 2008 zurück. (ak)
 

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2011 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 10. Juni 2013