Burcu Dogramaci und Karin Wimmer (Hg.):
Netzwerke des Exils
Künstlerische Verflechtungen, Austausch
und Patronage nach 1933
Gebr. Mann Verlag, 2011
Der in Deutschland als Bolschewik und in der Sowjetunion als Kapitalist
denunzierte Architekt Ernst May ging mit seiner Familie nach Ostafrika,
um sich, wie er seinem Freund Martin Wagner schrieb, an den Hängen des
Kilimandscharo als Pflanzer sein „eigenes Drittes Reich“ zu schaffen.
Wagner teilte mit Bruno Taut einige Exiljahre in der Türkei und war wie
der in die USA emigrierte Ludwig Mies van der Rohe in der Weimarer
Republik Mitglied der Architektenvereinigung Der Ring, deren
Kommunikationsnetz, trotz der in die unterschiedlichsten Winkel der Erde
verschlagenen Exilanten, Bestand hatte.
Max Beckmanns Exil in Amsterdam war gekennzeichnet durch eine große
Vielfalt von verwandtschaftlichen, kollegialen, geschäftlichen und
freundschaftlichen Beziehungen. Herausragend war die Bedeutung des
Sammlers Rudolf Freiherr von Simolin, in dessen Wochenendhaus am
Starnberger See der Kunsthändler und Beckmann-Intimus, Günther Franke,
clandestine Ausstellungen neuerer Werke des Künstlers vor ausgewähltem
Publikum organisierte. Später stiftete Franke seine Sammlung dem
Freistaat Bayern mit dem Ergebnis, dass die Münchner Pinakothek der
Moderne heute, nach dem Saint Louis Art Museum, den weltweit
zweitgrößten Bestand an Beckmann-Werken besitzt.
Besonders anrührend ist das neben Architekten, Stadtplanern, Malern,
Fotografen, Designern und Bildhauern einzige Exilporträt einer
Dichterin, dasjenige von Else Lasker-Schüler. Der Kaufhauskönig Salman
Schocken und sein Hausarchitekt Erich Mendelsohn, der für ihn in
Deutschland wie im palästinensischen Exil gebaut hatte – beide waren
selbst unfreiwillige Immigranten in Eretz Israel – bemühten sich
nach Kräften um die Dichterin. Schocken, der für Mendelsohn Bauherr,
Fürsprecher und Teilhaber seiner Architekturvisionen zugleich war, trat
auch als Sponsor von Martin Buber, Gershom Sholem und dank der
Vermittlung von Mendelsohns Frau Luise eben auch von Else Lasker-Schüler
auf.
Die Dichterin suchte in dem neuen Staat vergeblich nach den Spuren eines
märchenhaften, alttestamentarischen Palästinas. Aus ihrem ursprünglich
auf drei Monate berechneten Besuch wurde nach dem Ausbruch des Krieges
und der Unmöglichkeit in die Schweiz zurückkehren zu können, ein bis zu
ihrem Tod, 1945, währender Zwangsaufenthalt in dem ungeliebten Land.
Von den dreiundzwanzig Aufsätzen des knapp 500-seitigen Bandes sind 16
in deutscher und der Rest in englischer Sprache abgedruckt.
(ak)
Nächste
Rezension
***
bestellen bei
|
|