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Bücher
Empfehlungen

 



Sangyeon Kim
Die Erfahrung der Natur
Zur Erläuterung der ästhetischen Dimension der Naturerfahrung
Verlag  König & Neumann, 2017
 



Gabriele Münnix (Hg.)

Über-Setzen

Sprachenvielfalt
und interkulturelle Hermeneutik



Verlag
Karl Alber, 2017

Am Anfang steht die Frage, wie richtig übersetzen und geht das überhaupt? 
Lost in translation ist sowohl eine Umschreibung für alltägliche Missverständnisse, als auch ein Hinweis darauf, dass Übersetzungen in Verwirrungen, Sackgassen und bis hin in diplomatische Krisen zwischen Staaten führen können. Aus dem Italienischen ist der Ausdruck traduttore – traidore bekannt, der den Übersetzer mit dem Verräter oder dem bewussten Manipulator gleichsetzt. Die Herausgeberin dieses Kompendiums, Gabriele Münnix, stellt dem die Möglichkeit gegenüber, über Übersetzungen und durch das Über-Setzen einen Zugang zu anderen Kulturen und Weltsichten zu bekommen und sich neue „Sinnhorizonte“ zu erschließen.
Keine Übersetzung kommt darum herum, eine grundlegende Entscheidung zu fällen: Bleibt man dem Quelltext möglichst treu und versucht eine  wortgetreue Übersetzung oder legt man den Fokus auf den Rezipienten in der Zielsprache und interpretiert den Text mit Blick auf einen anderen kulturellen Verständnis-Horizont neu – oder poetisch gedacht, unternimmt man eine Neudichtung eines fremdartigen Stoffs in der und aus der heimischen Sprache heraus?
Wie kompliziert eine Übertragung aus einer Sprache eines anderen Kulturraums sein kann, zeigt z.B. der Artikel von Josef Estermann, der sich mit den Sprachen des Anden-Raums in Südamerika beschäftigt. Anders als bei indogermanischen Sprachen, wird hier nicht der Sehsinn als Schlüssel zur Erfahrung der Welt und zur Generierung von Sinn genutzt, sondern das Gehör.
Und Mamoru Takayama zeigt am Beispiel des Japanischen, dass grammatikalischen Strukturen spirituelle Konzepte zu Grunde liegen können, die über die tatsächlichen Worte hinaus eine große Bedeutung vermitteln. Das Fehlen des Personalpronomens in der ersten und zweiten Person erweist sich ihm zufolge keineswegs lediglich als ästhetische Besonderheit, die sich im Kontext dann wieder auflöst. Anstelle des deutschen „ich trinke Tee“ heißt es im Japanischen nur „Tee trinken“. Hierin spiegelt sich das Zen-buddhistische Erbe Japans und der Autor bemüht den berühmtesten modernen Philosophen Japans, Nishida Kitaro, um das dem zugrunde liegende Konzept der „reinen Erfahrung“ zu verdeutlichen. Die unmittelbare Erfahrung, die sich ereignet, wenn Subjekt und Objekt zusammentreffen, wird hier in Ihrer Reinheit dargestellt, ohne dass „eine Spur von Gedankenarbeit“ diese interpretiert und die einzelnen Teile in Relation setzt: „ Das wir etwas erfahren, bedeutet nichts mehr, als dass das Selbst mit jenem Etwas eins geworden ist, Eine Blume zu sehen bedeutet, dass das Selbst zur Blume geworden ist.“ Gehört es nun zu einer authentischen Übersetzung aus dem Japanischen, dass diese Geisteshaltung, die in der Sprache zum Ausdruck kommt mit übersetzt wird?
Der von der Kabbala inspirierte Sprachwissenschaftler Walter Benjamin schreibt dem Übersetzen und der Vielzahl von möglichen Übersetzungen eine übergeordnete Rolle zu. Für ihn ist die Sprache lediglich eine Annäherung an das, was gesagt werden will, also für sich auch schon eine Übersetzung eines Sinns in Sprache. Nimmt man nun alle Sprachen und die Übersetzungen eines Gegenstands, den man in diesen unendlich möglichen Übersetzungen zu fassen sucht, so werden sie in ihrer Gesamtheit eins mit dem was sie sagen möchten.
Dieser Sammelband fasst 20 wissenschaftliche Aufsätze zusammen, die in drei Kapitel eingeteilt, eine Vielzahl von Perspektiven auf das Thema Übersetzen im Allgemein und im Konkreten eröffnen:  Unterschiedliche Sprachstrukturen, Theorie des Übersetzens und Ethisch/hermeneutische Perspektive auf Übersetzung. Und das ist es auch das für die Herausgeberin dieser Band leistet. Er trägt dazu bei, den Spagat des Über-Setzens zu meistern, der sich zwischen der Suche nach einem übersprachlichen, allgemeingültigen Sinn und dem kulturell geprägten und einzigartigen sprachlichen Ausdruck auftut.
(hk)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2017 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 29. Juni 2019