Max Frisch
Aus dem Berliner Journal
Suhrkamp Verlag, 2014
Die Straßen seien zu breit und, wenn man von seinen Kneipen, dem
Wannsee, seinem nordischen Himmel und der einen und anderen
U-Bahn-Station absieht, will sich dem Dichter, nach einem Eintrag aus
dem Februar 1973, nicht recht erschließen, wo Berlin denn eigentlich
stattfindet. Max Frisch (1911-1991) hatte mit seiner Frau eine Wohnung
in Friedenau, dem Westberliner Dichterkiez in unmittelbarer
Nachbarschaft zu Uwe Johnson oder Günter Grass, bezogen und konnte der
noch geteilten, wenig metropolenhaften Stadt nicht allzu viel
abgewinnen. Sein lebhafteres, zuweilen fast ethnologisches Interesse
scheint aber Ostberlin gegolten zu haben.
Die sechs, sieben Berliner Jahre des Dichters haben ihren Niederschlag
in fünf Ringbüchern gefunden. Nur die ersten beiden aus den Jahren 1973
und 1974, und auch die nicht vollständig, sind in dem vorliegenden
Journal erfasst.
Frischs wesentliche Mitteilungen, noch vor den Porträts seiner
Schriftstellerkollegen und dem Versuch die DDR-Wirklichkeit zu erfassen,
beschäftigen sich mit den existenziellen Nöten des Dichterseins, der
Deformation durch die Schriftstellerei als Beruf, „als lebe man, um
etwas zu sagen. Wem?“ Dabei gäbe es viel zu sagen, aber es hätte nur
Gewicht „ohne literarische Ambition; Flaschenpost.“ Das liest sich
außerordentlich spannend und ist in hohem Maße ehrlich und
selbstkritisch und nicht die Spur resignativ, wie es die Idee,
Erinnerungen zu schreiben, deutlich macht. „Jetzt Memoiren schreiben
(nicht zur Veröffentlichung) wäre das Abenteuer, das noch möglich ist;
…Ich hätte ein Leben hinter mir, eines, das mich noch einmal
interessiert, weil ich es nicht kenne. … So vielerlei ist gelebt worden
und verschüttet, indem man weiterlebte. Ich müsste jetzt jeden Tag um
sechs Uhr aufstehen, es eilt, es ist aufregend. Ich habe mir mein Leben
verschwiegen“. (ak)
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