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Ralf Beil und Burghard Dedner (Hg.)

Georg Büchner.
Revolutionär mit Feder und Skalpell



Hatje Cantz Verlag, 2013


Es gäbe Shakespeare und Büchner - und dann noch die anderen. Diese Sichtweise, Georg Büchner (1813-1837), der es nach eigenem Bekunden nicht wert gewesen wäre, Shakespeare die Schuhe zu binden, dem großen Engländer direkt an die Seite zu stellen, ist ebenso verblüffend wie nachvollziehbar. In Robert Musils Artikel Shakespear’sche Wortwelt von 1921 ist das Büchner’sche Wort „wie ein fieberhafter Ausschlag, der farbige, schöne, unregelmäßige Flecke hervorzaubert“. Diese bizarre Kennzeichnung, scheint bereits die Typhuserkrankung zu spiegeln, an der der Dichter in seinem 23. Lebensjahr starb.
Das Fiebrige ist ein durchgängiges Charakteristikum, das auch Wolfgang Hildesheimer und Durs Grünbein, zwei der elf in diesem Katalogband zu Worte kommenden Georg-Bücher-Preisträger, an der Sprache Büchners ausmachen. Grünbein, der das Naturstudium als ursächlich für den Stil des Dichters bezeichnet, diagnostiziert: „Fragmente die Folge, fieberhafte Notate, somatische Poesie“.
Eine Idee von der manchmal beklemmenden, oder in Erich Kästners Worten von der den „Atem verschlagenden“ Wucht der Sprache Büchners geben die kurzen Textstellen, die jedem der Katalogkapitel vorangestellt sind. Aus zwei Briefen: „…, die teutsche nasskalte Holländerathmosphäre ist mir zuwider, die französische Gewitterluft ist mir lieber“; oder: „Ich komme eben aus dem Leichendunst und von der Schädelstätte, wo ich mich täglich wieder einige Stunden selbst kreuzige, …“; und dann aus dem Lenz: „Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte.“
Die Erzählung Lenz war nach dem Bericht des elsässischen Pfarrers und Psychologen Johann Friedrich Oberlin über den Dichter und Goethefreund Jakob Michael Reinhold Lenz entstanden. Darin wird eine Auffassung von Kunst geäußert, die wieder auf Büchners englischen Dichterpaten Bezug nimmt: „Das Gefühl, daß, was geschaffen sei, Leben habe, … sei das einzige Kriterium in Kunstsachen. Übrigens begegne es uns nur selten: In Shakespeare finden wir es, und in den Volksliedern tönt es einem ganz, in Goethe manchmal entgegen; alles übrige kann man ins Feuer werfen.“
Dantons Tod, 1835 innerhalb von fünf Wochen verfasst, – tatsächlich hat Büchner seinem gesamten literarischen Schaffen nicht einmal ein ganzes Jahr seines Lebens gewidmet – ließ sein erster Förderer, Karl Gutzkow, in der Literaturbeilage der Zeitschrift Phönix abdrucken. Robert Walser schildert in seinem Artikel Büchners Flucht den steckbrieflich gesuchten Dichter mit dem Manuskript des Danton im Mantel, gewissermaßen ein Seelenverwandter Heinrich Heines, wie er dem geliebten, weil freieren Straßburg zueilt:
„ … hinter sich das erlebte Gewaltige und vor sich das unbekannte, noch unerlebte Gewaltige, das ihm zu erleben bevorstand. So lief er, und Wind wehte ihm in das schöne Gesicht.“

Der mehr als vier Kilo schwere Katalog präsentiert auf gut 600 Seiten historische und aktuelle Stimmen, die das Leben des von politischen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Grenzfragen umgetriebenen Dichters beleuchten. Porträts von Zeitgenossen, Theaterszenen und Bühnenbilder, vornehmlich aus dem Woyzeck, Filmstills, anatomische Darstellungen und Präparate, Pläne und Ansichten der vier hauptsächlichen Lebensstationen in Darmstadt, Straßburg, Gießen und Zürich und Aufnahmen von Platz- und Hausbesetzungen der letzten Jahrzehnte, die sich gern die Parole „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ aus Büchners Hessischem Landboten zu eigen machten, illustrieren den voluminösen Band. Der Katalog erscheint zu der noch bis zum 16. Februar 2014 zu sehenden Ausstellung anlässlich des 200. Geburtstages Georg Büchners im Darmstadtium auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. (ak)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2013 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 07. Januar 2014