Lévinas, Emanuel
Gott,
der Tod und die Zeit.
Passagenverlag,
2013
Die Erfahrung
des Todes, schreibt Lévinas, kommt zu uns aus zweiter Hand. Durch das
Wissen Anderer, das Wissen von Sterbenden, die Beobachtung von
Sterblichen oder dem gesammelten Wissen der Religionen entsteht erst, in
Form eines intellektuellen und emotionalen Widerhalls, unsere Beziehung
zum Tod.
Das Andere konstituiert das Eigene, aber, und das macht die Philosophie
des litauisch-französischen Denkers besonders, er sieht das Eigene
nicht als Negation des Anderen. So definiert der Tod, als ihr Endpunkt,
die Zeit, auf den sie sich mit absoluter Gewissheit hinbewegt. Den Tod
bezeichnet der Hegel- und Husserl-Schüler als die Geduld der passiven
Zeit. Den Tod als Nichts, als Auslöschung oder Nicht-Sein zu sehen ist
für ihn aber eine plumpe Umkehrung des älteren religiösen Dogmas,
dass der Tod das Leben vom ewigen Leben schiede.
Lévinas verweigert sich einer Vorstellung der sich ausschließenden
Gegensätze, wie sie in unserem Sprachgebrauch zum Beispiel an dem
Wortpaar „Endlichkeit“ und „Unendlichkeit“ deutlich wird. Die
Differenz bekommt in seiner Theorie einen schöpferischen Aspekt, den er
verdeutlicht an der Beziehung zwischen dem Menschen und dem von ihm
Begehrten, dem Anderen, das, von ihm getrennt, erst das Verlangen
erwecken kann oder auch von Gott, dem Anderen schlechthin.
Das Un-Gleich-Sein von Mensch und Gott ist für Lévinas das Fundament
auf dem die menschliche Ethik sich erst begründet: „Das Begehrte erfüllt
mich nicht mit Gutem aber es zwingt mich zur Güte, besser als das zu
erhaltende Gute. Gut sein, das bedeutet Defizit, Verfall und Torheit im
Sein – es ist Exzellenz und Höhe jenseits des Seins.“
Das Buch umfasst die gesamten zwei Vorlesungen, die Lévinas in seinem
letzten Unterrichtsjahr 1975-1976 an der Sorbonne mit zwei Stunden
Abstand, immer freitags gehalten hat. Die Kapitel tragen neben dem Titel
das Datum der jeweiligen Vorlesung und es steht dem Leser frei, entweder
die einzelnen Vorlesungen „Der Tod und die Zeit“ und
„Gott und die Onto-Theo-Logie“ in einem Stück
durchzuarbeiten oder, wie es in der Lehre des Professors angelegt war,
simultan den Verlauf der beiden Vorlesungen nachzuvollziehen. Die
einzelnen kurzen und sehr dichten Kapitel sind wie Gespräche gefasst,
die Lévinas mit seinen Lehrern Heidegger und Husserl, seinen
philosophischen Vorgängern wie Kant und Hegel und mit Kollegen wie
Ernst Bloch führt.
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