Francois
& Emmanuel Lepage
Weiß wie der Mond
Splitter
Verlag, 2015
Zwei
Brüder, die mit ihrer Kunst – der eine zeichnet, der andere fotografiert
–
den existentialistischen Raid durch die Eiswüste der
Antarktis dokumentieren und in der Verbindung ihrer Künste einen
einzigartigen Zugang zu einer für uns Menschen so unwirklichen Welt
eröffnen: „Man bot uns die unglaubliche Gelegenheit Polarforscher zu werden… Natürlich
auf unsere Art!“
Schriftsteller
wie Edgar Allan Poe und Jules Verne und deren romantisch-abenteuerliche
Geschichten sowie die Reiseberichte von James Cook haben die Fantasie des
Comic-Autoren Emmanuel Lepage von klein an zum Blühen gebracht. Jean
Baptiste Charcot, Polarforscher und Abenteurer, oder Jules Dumont D´Urville,
der als erster Europäer den arktischen Kontinent erblickt hatte sowie der
Brite Robert Falcon Scott und der Norweger Roald Amundsen, denen in
dramatischem Wettlauf die letzte große Entdeckung der modernen Welt, das
Vordringen zum Südpol, gelang, sind bei der Überfahrt der Brüder Lepage
mit der Astrolabe von Tasmanien nach Dumont D´Urville immer gegenwärtig.
Mit einem Konvoi aus Fahrzeugen, der an den Film Mad Max Fury Road
erinnert, kämpfen sich die zehn Fahrer, unter ihnen die zwei Laien, in
einer geraden Linie 1200 Meilen durch die lebensfeindliche Eis-Ödnis zur
Polar-Station
Dome Concordia. Der Himmel verdunkelt sich durch die Abgasglocke, die die
schweren Raupenfahrzeuge im Kampf gegen Kälte und Schnee ausstoßen. Auch
mit einem Maximum an Technik steht die Expedition, die an der kleinsten Änderung
der Witterung scheitern kann, auf Messers Schneide. Die Aussicht, dass das
Risiko für die Menschen bei der Durchführung der Aktion zu groß wird und
man abbrechen muss, erzeugt diese ruhelose Spannung, die die Mitglieder der
Expedition zu Höchstleistungen anspornt.
Es sind die wiederkehrenden Unschärfen
und perspektivischen Wechsel der meisterhaften Aquarellzeichnungen, die den
Leser fast körperlich spürbar Anteil an Kälte und Entbehrungen nehmen
lassen.
Vogelperspektiven, Rückblenden in Sepia, Schattenrisse, in
Zeichnungen Gestalt annehmende Fantasien oder die Widergabe alltäglicher
Gespräche und Portraitstudien der Teilnehmer erscheinen wie das gezeichnete
Drehbuch einer Abenteuerverfilmung. Die Fotografien verstärken den
dokumentarischen Aspekt der Unternehmung, die nicht zuletzt einen Versuch
darstellt, die Arbeit der Arktisforscher einem breiten und bunten Publikum näher
zu bringen. Die Ruhe und Ehrfurcht gebietende Schönheit der kargen Weite,
einer Mondlandschaft in Weiß, die dem Menschen nur unter größten Zugeständnissen
und auch nur für kurze Zeit Zugang gewährt, übt eine beinahe religiöse
Suggestion aus und fordert Respekt und Demut gegenüber dem Planeten und
seinen ihn regierenden Naturkräften ein.
(hkl)
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