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Susanne Kerckhoff
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Graf

Berliner Briefe

Verlag das Kulturelle Gedächtnis, 2020  

Susanne Kerckhoffs schonungslose Selbstbefragung bleibt im Nachkriegsdeutschland und seiner von Beschönigung und Opportunismus geprägten Seelenlandschaft eine unerhörte, aber auch ungehörte Botschaft. Nach eigenem Bekunden politisch naiv und rein humanitär, formuliert die Autorin radikal: „Wer im Frühling 1945 nicht aus dem Gefängnis oder dem Konzentrationslager kam, ist mitverantwortlich.“ Das sind nicht nur Worte, schon gar keine Floskeln. Wenn sie von Schuld und Pflicht zur Wiedergutmachung spricht, dann nicht allgemein, sondern als ureigene Last, als „eine moralische Forderung, [...], die jetzt in kleinen Münzen der Verzweiflung bis zum Tode abgetragen“ werden muss.

Diese selbstauferlegte Verzweiflungs-Arbeit von einer, die sich nicht beruhigen, nicht abfinden kann, wächst in dem Maße, wie sie an ihren Zeitgenossen einen „sonderbaren Gleichmut“ und eine um sich greifende „Vernazifizierung“ beobachtet. Der von den Geistern der Ermordeten gepeinigte Paul Celan kommt einem bei der Lektüre der Briefe in den Sinn. Beiden Dichtern, der eine Teil der Gemeinschaft der Opfer, die andere der Tätergesellschaft zugehörig, scheint etwas Unausweichliches und Unerträgliches gemeinsam.

Kerckhoff stammt aus dem bürgerlichen Berliner Westen und lebt 1948, als ihre Berliner Briefe an einen fiktiven jüdischen Freund erscheinen, seit zwei Jahren in Ostberlin. Sie wird 1948 Mitglied der SED, von der sie sagt: „Aber die ganze Sehnsucht meiner Jugend, die ich heut noch voll bejahe, umarmt die SED mit einem sehr zärtlichen Kummer.“ Ab 1949 ist sie Feuilletonredakteurin der Berliner Zeitung. Ein Jahr später stirbt sie als Zweiunddreißigjährige durch Suizid. Es dauert in Ost wie West volle 40 Jahre, bis ihr schriftstellerisches Werk wieder wahrgenommen wird.  (ak) 

 


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 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 26. Dezember 2020