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Kafka und Prag


Böhlau Verlag, 2012

Franz Kafkas Verhältnis zur zionistischen Bewegung, zu ihren Ideengebern wie Hugo Bergmann, Hans Kohn, Gustav Landauer, Felix und Robert Weltsch, zumeist Freunde und Kommilitonen des Dichters oder zum Prager Verein jüdischer Studenten, dem Bar Kochba, ergibt sich aus seiner unmittelbaren Lebenswelt. So stellt sich nicht die Frage ob Kafka, sondern wie er von diesen Ideen beeinflusst war. Kateřina Čapková, eine der neunzehn Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes, versucht seiner, 1917, in Martin Bubers Zeitschrift Der Jude veröffentlichten Erzählung Schakale und Araber solche Antworten abzulauschen. Der Text, der um die Themen Abhängigkeit, Parasitentum und Gier, wie auch um die Suche nach Reinheit kreist, ließe sich unschwer auf Palästina und das jüdische Siedlungsprojekt beziehen. Oder könnten die Protagonisten der Handlung – Araber, Schakale und ein Europäer – auch den jüdisch-deutsch-tschechischen Kontext der heimatlichen Prager Gesellschaft Kafkas spiegeln?
Eine andere viel versprechende Untersuchung widmet sich der Fremdwahrnehmung bzw. ihrer Darstellung im Werk des in der Wahrnehmung von kulturellen Differenzen geübten Pragers. Die unsichere Identität des Landvermessers in Kafkas Das Schloß nähert sich auch sprachlich der des Landstreichers an. Derlei Verkennungen konstituieren den Irrweg in eine Fremde, „in der man vor Fremdheit ersticken müsse und in deren unsinnigen Verlockungen man doch nichts tun könne als weiter gehen, weiter sich verirren.“ Auch das zunächst als Heilmittel empfundene Beobachten und Benennen von Unterscheidbarem verliert im Roman in dem Maße seine Wirkung, wie der Beobachter realisiert, selbst beobachtet und bewertet zu werden. Natürlich hat es der Dichter Kafka mit kulturellen Vereinnahmungen durch andere zu tun. Sein Freund und späterer Herausgeber, Max Brod, rechnete Kafkas Erzählungen „zu den jüdischsten Dokumenten“ seiner Zeit, während ein Kritiker meinte in seiner „Erzählkunst … etwas Urdeutsches“ ausmachen zu können. Nach eigenem Bekenntnis dagegen blieb Kafka, auch wenn ihm die deutsche Sprache selbstverständlich war, ein „Halbdeutscher“.
Das knapp 400-seitige Buch, das als Band 3 der Reihe Interkulturelles Prag im 19. und 20. Jahrhundert erschienen ist, enthält unter den neunzehn, thematisch breit gestreuten Aufsätzen, auch solche, die nur mittelbar mit dem Werk und der Biographie des großen Prager Dichters zu tun haben, sondern Zeitgenossen wie Josef Wenzig, Max Steiner oder Richard Weiner portraitieren. Den unter drei Gesichtspunkten – Kafkas böhmische Kontexte, Kafkas Lebenswelten, Verortungen Kafkas – gegliederten Texten sind ein Personen- und ein Ortsindex beigegeben. (ak)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2013 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 02. Dezember 2014