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John Clare

Reise aus Essex 
und autobiografische Fragmente

übersetzt, herausgegeben und
mit einem Vorwort versehen von Esther Kinsky

 

Matthes & Seitz, 2017  

Die titelgebende Reise aus Essex im Juli 1841 war in Wirklichkeit eine Flucht. John Clare (1793-1864) verließ die psychiatrische Klinik in Epping Forest bei London, in der ihn besorgte Freunde 1837 untergebracht hatten, buchstäblich bei Nacht und Nebel und brachte die 140 km bis ins heimatliche Northborough bei Northampton in vier Tagen ohne Wegzehrung und Obdach hinter sich. In einem Brief an Matthew Allen, seinen Arzt in Epping Forest, bekennt er, „… das grösste ärgernis an einem orte wie dem euren sind jene als bedienstete zurecht gemachte wärter welche oft eine macht über mich geltend machten als wäre ich ihr gefangener …“ Ein womöglich noch wichtigerer Fluchtgrund, von dem er schreibt, ist die Sehnsucht nach Mary, seiner früheren, aber schon seit mehreren Jahren verstorbenen, Geliebten, die ihm jedoch weiter als geliebte Ehefrau und Muse im Sinn ist. 
Clare ging nur bis zum 12. Lebensjahr zur Schule. Die Jugend- und Erwachsenenjahre bis zu seinem literarischen Erfolg werden von häufig wechselnden Hilfsarbeiten bestimmt. „meine Kraft war zu jung & schwach & wie mein geist so wunderlich & nicht für die welt gemacht“ lautet die präzise Einsicht in seine geistige und körperliche Verfassung, die ihn jeglichen beruflichen Ehrgeiz von sich weisen ließ. Nach Müßiggang und gelegentlichen Arbeiten stand ihm der Sinn, nach Raum für Selbstgespräche an einsamen Winkeln in Wald und Feld. Darin traf er sich mit anderen Außenseitern, den zigäunern, in deren Lagern er oft und gerne zu Gast war und mit denen er um die letzten freien Naturorte bangte, die im beginnenden 19. Jahrhundert, der Spätphase der Einhegungen, verloren zu gehen drohten.  
Eine Anstellung als Pflüger bei einem Nachbarn nennt er „die Kinderstube meiner Reime“. Die Arbeit in freier Natur, die ihm genügend Zeit der Muße ließ, war Voraussetzung für sein Dichten: „… wenn ich unter den klüftigen rändern einer steingrub sass so wähnte ich mich im schatten eines felsens sitzen & so wurden meine gefühle zu lob & preis bewegt & meine gelübde wurden in prosa oder in reimen geraunt…“.
Lange hielt Clare seine Autorenschaft geheim und gab seine Gedichte, wenn er sie denn vorlas, für die eines Anderen aus. Als sie schließlich, 1820 und 1821,  unter Vermittlung eines Buchhändlers erscheinen konnten, wurden sie als Werk eines Bauerndichters, damals eine Zeitmode, begeistert aufgenommen.
Mit seinen späteren Werken konnte der Dichter nicht mehr an diesen Erfolg anknüpfen. Zu den Schwierigkeiten, seine Frau und ihre gemeinsamen Kinder zu versorgen, kamen längere Phasen von Desorientiertheit und Depression. Schon ein halbes Jahr nach seiner Flucht aus Essex musste er erneut in psychiatrische Behandlung in die Klinik von Northampton, die er bis zu seinem Tod nicht mehr verließ. Hier entstand auch Ich bin, sein vermutlich berühmtestes Gedicht, das diese autobiografischen Texte beschließt. Ein zweites seiner Gedichte, Was ist Leben?, leitet den Band ein. 
John Clares Gedichte sind bislang nicht in deutscher Übersetzung  erhältlich, und man darf hoffen, dass die Herausgeberin und Übersetzerin den beiden hier vorgestellten Gedichten Clares, der längst als einer der großen englischen Dichter des 19. Jahrhunderts gilt, weitere folgen lassen wird.
  (ak)



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 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 15. April 2017