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Ibn Khaldun

Die Muqaddima
Betrachtungen zur Weltgeschichte


Übertragung aus dem Arabischen und Einführung von Alma Giese





Verlag C.H. Beck, 2011


„Dies ist die Komposition Ibn Khalduns, der das Zepter des Sieges auf dem Felde des diskursiven Denkens errungen hat.“ Diese Zeile ziert die letzte Seite der Autobiographie Ibn Khalduns und obwohl nicht bekannt ist, wer sie schrieb, steht sie exemplarisch für die Bedeutung, die er als Philosoph und Begründer von Wissenschaft in der arabischen Welt seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert eingenommen hat.
Die Muqaddima, Einführung zu seinem Hauptwerk, die Universalgeschichte, ist eine umfangreiche, theoretische Reflektion über die „Natur von Kultur“ oder Beschaffenheit von Geschichte, in deren Mittelpunkt der Mensch steht. „Die neue Wissenschaft“ wie Ibn Khaldun sein Werk nennt, lässt sich aufgrund seiner Originalität nicht einem einzelnen Fachbereich wie Politik, Historiographie, Philosophie, Theologie oder Wirtschaft zuordnen, sondern untersucht die Gesamtheit der physischen und metaphysischen Einflüsse, die den Menschen zu seinem Handeln führen, was das große Interesse der im 19. Jahrhundert entstehenden Soziologie an Ibn Khalduns Werk verständlich macht.
Die Einsicht in die Notwendigkeit einer kritischen Prüfung der Quellen, das Vergangene mit dem Heutigen zu vergleichen oder das Denken zum Richter für die Gültigkeit von Aussagen zu machen und nicht der „Gier der Seele nach Sensation“ nachzugeben machen Ibn Khaldun zu einem Wissenschaftler, der vierhundert Jahre vor der europäischen Aufklärung, deren wissenschaftliche Standards schon zum großen Teil erfüllte.
Die ursprünglich jemenitische Familie der Khalduns, sah sich im 14. Jahrhundert gezwungen aus dem arabischen Spanien, Al Andalus, vor den erstarkenden Christen nach Nordafrika zu emigrieren. Aber auch die neue Heimat durchlief eine Zeit der politischen Umbrüche, so dass Ibn Khaldun aufgrund wechselnder Herrscher und Loyalitäten in den eifersuchts- und intrigenreichen kleinen Königreichen des Maghreb immer wieder fliehen oder Haftstrafen erdulden musste. Tunis, Marrakesch, Fes und Granada, das letzte verbliebene arabische Königreich in Spanien sowie Kairo und Damaskus werden Ibn Khalduns Wirkungsstätten, der an den Universitäten, Medressen und Sufikonventen lehrte und verschiedentlich als malikitischer Oberrichter von Ägypten oder als Minister und Wesir immer in den höchsten gesellschaftlichen Schichten verkehrte. So gab es auch zahlreiche und ungewöhnliche Begegnungen mit den Herrschern seiner Zeit. Peter der Grausame von Kastilien zeigte sich beeindruckt vom arabischen Unterhändler Ibn Khaldun, den auch lange Zeit eine enge Freundschaft mit Sultan Barquq von Ägypten verband. Den Höhepunkt seiner politischen Karriere sah er in dem Zusammentreffen mit dem mongolischen Eroberer Timur Lenk (Tamerlan), dem er als Unterhändler anlässlich der Kapitulation von Damaskus´ wiederholt begegnete, und der seiner Bewunderung für Ibn Khalduns zyklisches Weltbild Ausdruck verlieh. Dieses Bild besteht in einer Analogie der Dynamik einer Gesellschaft mit den menschlichen Entwicklungsphasen. Dem ungestümen Wachstum in der Jugendphase einer aufblühenden Kultur oder eines sich vergrößernden Reiches folgt eine Zeit der Reifung und Stabilität, schließlich eine Hochkultur, die dann langsam aber unaufhaltsam dem Tod, das heißt ihrem Verfall und Untergang entgegen geht.
Sein politischer Einfluss als Lehrer und Berater der Herrscher im Sinne eines gerechten Philosophenkönigs scheiterte am persönlichen Bereicherungswillen und der Herrsch- und Gefallsucht der Despoten. Seine wissenschaftliche Befassung zielte auf den Entwurf einer gerechten Gesellschaft, in der die Herrschaft der Beschränkung der animalischen Kräfte des Menschen und der Erziehung zu verantwortungsvollem Handeln dienen sollte.
Im 18. Jahrhundert war Ibn Khalduns Muqaddima auch im Westen bekannt und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das wissenschaftliche Renommee des arabischen Gelehrten bereits mit demjenigen von Montesquieu oder Machiavelli verglichen.
Der Band wird mit einem ausführlichen Vorwort zur Person Ibn Khalduns eingeleitet und nicht aufgenommene Passagen werden auf den 541 Seiten dieser Auswahlübersetzung in kurzer Zusammenfassung wiedergegeben. 
(hkl)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 11. Oktober 2011