Helden. Ein neuer Blick auf die Kunst Afrikas
Herausgegeben von Alisa LaGamma
Museum Rietberg Zürich
Scheidegger und Spiess,
2012.
Wie der Titel andeutet, möchte sich der neue Blick auf die Kunst Afrikas
von der gewohnten, eurozentrisch und kolonial geprägten Sichtweise auf
den afrikanischen Kontinent lösen. Zur Veranschaulichung sind dem
begeisternden Skulpturenprogramm aus acht verschiedenen Kulturräumen,
die sich auf sechs Staatsgebiete West- und Zentralafrikas verteilen,
Fotografien aus der zweiten Hälfte des 19. und aus dem 20. Jahrhundert
an die Seite gestellt worden, die in Komposition und Motivwahl die
Erwartungshaltung der Fotografen deutlich werden lassen.
Der Katalog präsentiert Statuen und Büsten von Königen und Fürsten, von
Menschen außerordentlichen Ansehens, in deren Konterfeis sowohl die
persönlichen Züge der Porträtierten wie das ästhetische Ideal der
jeweiligen Kultur eingearbeitet sind. Dabei kommt der Bildhauerei, die
über die tatsächliche Erscheinungsform des Verstorbenen hinauszugelangen
und das Wesen des Abgebildeten, dessen Bedeutung, Strahlkraft und
Besonderheit auszudrücken versucht, in der vorwiegend mündlich
überlieferten und erinnerten Geschichte Afrikas eine außerordentliche
Bedeutung zu.
Die Skulpturen stammen von den Akan aus Ghana und der Elfenbeinküste,
aus den Königreichen Ife und Benin auf dem Territorium Nigerias, von den
Bangwa- und Kom-Kulturen des kamerunischen Graslandes, den Luluwa, Kuba
und Hemba in der heutigen Demokratischen Republik Kongo und den hier und
in Angola beheimateten Chokwe. Zunächst springt die große Varietät der
unterschiedlichen Stile und Techniken ins Auge. Die Köpfe der
Ife-Terrakotten aus dem 13-15. Jahrhundert, die, trotz ihrer fein
gearbeiteten afrikanischen Gesichtszüge, den Vergleich mit antiken
griechischen und römischen Büsten nahe legen, stehen den schwarzen
Holzskulpturen der Chokwe gegenüber, die auf die Ausarbeitung
persönlicher Merkmale verzichten und mit ihrem standardisierten
Figurenprogramm vor allem die Machtinsignien und die spirituelle
Bedeutung des Amtes hervorheben. Die rötlichen Holzfiguren der Kuba
stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Sie portraitieren Menschen, die
mit geschlossenen Augen im Schneidersitz verharren und deren Gesichter
eine tiefe geistige Konzentration ausstrahlen, wie man es von
Buddhastatuen kennt. Dagegen werden die Skulpturen der Leoparden-Chiefs
der Luluwa, die im 19. und 20. Jahrhundert entstanden, von den
kriegerischen Zutaten, wie Schwertern, Dolchen, Helmen und Rüstungen
bestimmt. Aber auch innerhalb einer Kultur variieren die Motive mit
zeitlichem Abstand von feiner Ausarbeitung der Gesichtszüge bis zu
völlig abstrakten Darstellungen.
Der Katalog zur Ausstellung Helden – ein neuer Blick auf die Kunst
Afrikas im Museum Rietberg in Zürich ist dem Wunsch der Menschen
gewidmet, ihr Andenken über ihre Lebenszeit hinaus in der Kunst zu
erhalten und aufzuheben. Die Universalität dieses Wunsches wird in dem
Band auf beeindruckende Weise dokumentiert. Die Ausstellung wird noch
bis zum 3. Juni 2012 zu sehen sein.
(hkl)
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