Sergej Chilikov
Ausgewählte Werke 1978 –
Benteli Verlag, 2011
Die bunt und lebendig, manchmal übervoll eingerichteten Dorf- und
Strandszenen, die Stadt- und Wohnräume sind eigenartig komponiert. Der
Aufbau ist gestellt, bewusst künstlich, oft schrill. Bedeutungen der
Aufnahmen, die sich auf den ersten Blick einstellen wollen, wie
ländliches Idyll, sexuelle Arrangements, Arbeits- oder Alltagsszenen,
werden durch die Anordnung oder den Ausdruck der sie bevölkernden Dinge
und Personen unterlaufen.
Die Fotos verweigern sich dem allgemeinen Sprachgebrauch, bzw. dem
allgemeinen Bildgebrauch und folgen, wie der Begleittext ausführt, einer
aus der russischen Literatur übernommenen, transrationalen Sprache.
Als Chilikov Ende der 70er Jahre die fotografische Bühne betrat, war die
Fotografie in der Sowjetunion keine offiziell anerkannte Kunstgattung.
Die Fotoszene organisierte sich in Clubs und die Fotografen selbst
galten, da sie nicht für die Massenmedien arbeiteten, nicht als Profis.
Sie kamen aus verschiedenen Berufen; Chilikov lehrte als promovierter
Philosoph an der Universität von Joschkar-Ola.
Dass die in den Fotos angelegten Irr- und Holzwege aktuelle Disharmonien
und Auflösungsprozesse der russischen Gesellschaft spiegeln, ist
wahrscheinlich. Kraftvoller als solche Botschaft wirkt in den Aufnahmen
aber das theatralisch-schauspielerische Experiment und eine
anarchistische Freude am Verbiegen von Bedeutungen. (bpk)
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