Martin
Heidegger – Karl Löwith
Briefwechsel
1919-1973
Verlag
Karl Alber, 2016
In
den Bann schlagen lässt sich der junge Karl Löwith von den
kraftvoll-undogmatischen Aussprüchen Martin Heideggers, wie „Philosophie
ist kein Vergnügen, man kann daran zugrunde gehen und wer das nicht
riskiert, kommt nie zu ihr.“ Mit Fleiß, das belegt die schiere Anzahl der
Schriftsätze, und mit Bewunderung, „Ich wüsste niemand der es besser
versteht im Abstoßen anzuziehen“, sucht Löwith den Kontakt zu seinem
Professor und trifft bei diesem auf offene Türen.
Der so entstandene Briefwechsel ist eine ästhetisch spannende, heute fast
exotische Lektüre, in der sich durch Distanzen und Zeiten entschleunigte
Monologe aneinanderreihen, manchmal im sichtbaren manchmal im verborgenen
Zusammenhang zueinander und die in dieser Form zugleich voll von Brüchen,
Auslassungen und offenen Enden sind. So kommentiert nach scheinbar
monatelangem Schweigen der Professor ein gemeinsames Gespräch noch einmal:
„Es kommt mir nur darauf an, daß jeder das macht, was er kann; letztlich
ist er im Machen dabei – unreflektiert – auch wenn er eine ganz
‚reflektierte‘ Philosophie hat“. Dann wiederum gibt es Briefe, die in
der Häufigkeit und den behandelten, alltäglichen Themen einer SMS
gleichen, verkürzte Kommentare zu Neuerscheinungen, Vorlesungen und
Projekten, mit denen sich wissenschaftliche und auch persönliche Kommentare
zum Who is Who der zeitgenössischen
philosophischen Szene vermischen: „Opus Frl. Walthers erschienen: zitiert
in einer Anmerkung 1) Ricarada Huch 2) Kierkegaard 3) Hedwig Conrad-Martius.
Die gehört ausgewiesen für solche Geschmacklosigkeit. Jaspers schickt mir
die 3. Auflage der Psychopathologie. Wichtiges neu! Litt habe ich nicht –
miserabel – Simmelei.“
Es entsteht eine Mischung aus Sympathiebekundungen, gemeinsamem Lästern und
aus Reibung, in der sich auf spannende Weise ein gelebter philosophischer
Streit, der je zur Hälfte Philosophie und Beziehungsthemen verhandelt,
miterleben lässt. Zur angestrebten Doktorarbeit Löwiths schreibt sein
Mentor, der auch Gegenstand der Arbeit ist: „Es ist ganz gut dass sie
gereizt wurden und sich Luft gemacht haben in ihrem Brief. Auszusetzen habe
ich nur das eine: dass sie mich im Verhältnis zu der Deutlichkeit, mit der
sie mich interpretieren und abmessen, noch viel zu wichtig nehmen.“ Dieser
Ehrfurcht erheischenden Rede setzt der „kleine“ Löwith etwa
Verhaltensratschläge entgegen, die den Professor dazu befähigen sollen,
besser bei den Studenten anzukommen. Eine „gewisse Unruhe und menschliche
Unsicherheit“ würden Heidegger des ihm gebührenden Ruhmes berauben.
Und
so lesen sich die ersten Jahre der Korrespondenz, von den frühen 20er
Jahren bis 1933, als eine mitunter herzliche und sehr inspirierte Schüler-Lehrerbeziehung
und bergen spannendes Material für alle, die sich für das Leben und für
das alltägliche Brot der beiden Philosophen interessieren, vielleicht auch,
um den privaten, zumindest aber informelleren Kommentar zum work-in-progress
mitzuverfolgen. Nach ´33 setzt eine Entfremdung zwischen Martin Heidegger,
der sich zum Nationalsozialismus bekannte, und dem jüdischstämmigen Karl Löwith
ein. Bis 1974, dem Todesjahr Löwiths, existieren dann nur noch eine Hand
voll Briefe, die respektvoll aber deutlich distanziert und kurz gehalten,
nichts mehr mit der früheren Intimität gemein haben.
(hk)
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