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Violetta L. Waibel (Hg.)

Fichte und Sartre über Freiheit 
Das Ich und der Andere





De Gruyter, 2015


Für Johann Gottlieb Fichte ist die Freiheit der ursprüngliche Moment der Sittlichkeit und damit auch der Moment der Menschwerdung überhaupt. Jean-Paul Sartre dagegen formuliert die Beziehung zwischen Mensch und Freiheit andersherum. Der Mensch ist zur Freiheit verdammt, ihr wie einem Fluch ausgeliefert. Gut hundert Jahre trennen einen der wichtigsten Vertreter des Deutschen Idealismus und den existentialistischen Philosophen voneinander und trotzdem scheinen sie entgegen des vollkommen verschiedenen Blickwinkels – der eine sieht das ethische Potential der Freiheit, der andere den existentiellen Zwang, der von der Freiheit ausgeht – darin übereinzustimmen, dass es die Freiheit ist, die den Menschen Mensch sein lässt.
Die Frage nach der Selbstbestimmtheit des menschlichen Handelns ist besonders in der heutigen Rechtswissenschaft umstritten und führte zu der sogenannten Freiheits-Determinismus-Debatte. Der Essay von Peter Kumpits Wie frei sind wir wirklich? Fichte und Sartre und die Hirnforschung führt die Position des Neurophysiologen Wolf Singer an, der die Willensfreiheit als eine bloße Illusion abtut und dem Menschen eine vollkommene Abhängigkeit von seinen neuronalen Hirnprozessen attestiert. Bei Sartre und Fichte findet Kumpits trotz ihres Freiheitsdiskurses Ähnlichkeiten. So erkennt er in Sartres Ausführung zu der Verurteilung zur Freiheit und in Fichtes Überzeugung, dass die Entscheidung davon abhängt „was für ein Mensch man ist“, den Hinweis, dass sich die beiden Positionen in der Annahme einer unveränderlichen Voraussetzung treffen, ohne den letzten Ursprung der Freiheit oder Nicht-Freiheit ergründen zu können. 
In seinem Artikel zu Selbstheit und Andersheit streicht Liu Zhe heraus, dass Sartre das Selbst aus einem präreflektiven Selbstbewusstsein entwickelt, das sogleich Selbstmanifestation und Selbstdetermination ist. Dabei die Frage nach der Willensfreiheit des Menschen für Sartre unsinnig ist, da er die Selbstwerdung als einen von der Intention, vom Willen angetriebenen Prozess versteht und Wille bedeutet für ihn Freiheit. Für Liu Zhe geht Fichte ebenfalls von einem grundlegenden Selbstbewusstsein aus, das mit dem entsprechenden Willen zur Freiheit und zur Erkenntnis fähig ist und nur durch den beschränkten Zugang des Menschen zur Welt Grenzen erfährt. Die Ähnlichkeit in der Konstruktion von menschlicher Freiheit scheint Liu Zhe bei Sartre und Fichte augenscheinlich, wobei Sartre einen ontologischen Zugang eröffnet, Fichte dagegen einen epistemologischen.
Um den Aufsatz der Herausgeberin Violetta L. Waibel Der Blick des Anderen, den Anderen erblicken herum lassen sich in zehn Beiträgen das Spiel von Ähnlichkeit und Variation zwischen Fichte und Satre und die verschiedenen Sichtweisen darauf verfolgen. Am Ende wird die Frage nach der Verantwortung gestellt und auf der einen Seite die ursprüngliche Sittlichkeit und der erzieherische Ansatz der freiheitlichen Tat erwogen, auf der anderen Seite die anarchistische und umso radikaler eingeforderte Verantwortung des „der Mensch ist, wozu er sich macht“. 

Der vorliegende Band gibt die Tagungsbeiträge eines Wiener Kolloquiums von 2011 wieder, das darauf zielte, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Denkern auszuloten und sie in einen philosophischen Dialog über die ontologischen Grundkategorien von Freiheit, Selbstheit und Andersheit zu stellen. (hkl
)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2015 yuba edition / Axel Klappoth (Berlin)
 Stand: 15. Juli 2015