Raphaela Edelbauer
Das flüssige Land
Klett-Cotta Verlag 2019
Groß-Einland erhebt sich über einem gähnenden Schlund,
einem riesigen, durch Jahrhunderte langen Kalkabbau entstandenen Loch,
in das es hinabzurutschen droht. Das in keiner Karte und keinem
Verzeichnis aufgeführte Städtchen ist der Geburtsort eines tödlich
verunglückten Ehepaares, das hier seine letzte Ruhestätte finden soll.
Auf der Suche danach begibt sich die Tochter, eine Physikerin,
nebelhaften Erinnerungsfetzen folgend, auf eine tagelange Irrfahrt durch
das Wechselgebiet zwischen Niederösterreich und der Steiermark.
Was sie findet ist eine Gemeinde, deren Bewohner, trotz der allenthalben
auftretenden Spalten, Risse und Löcher, die prekäre Lage ihres
Gemeinwesens zu ignorieren scheinen. Auch erweist sich nicht nur der
Untergrund als saugend. Die Gemeinschaft selbst und ihre gräfliche
Herrschaft nehmen die Wissenschaftlerin in eigenartiger, fast
betäubender Weise gefangen. Alles, was sie in ihrem sich auf mehrere
Jahre ausweitenden Aufenthalt erfährt, vertieft sowohl ihre Einsicht in
die reale Gefährdung des Ortes, wie auch die Ahnung einer eigenen
familiären Verwicklung.
Schließlich zeigt sich das beunruhigende Nichts unter dem Ort als
erfüllt von Geschichten und handfestem Grauen. Schandtaten aus dem
Zweiten Weltkrieg kommen ans Licht und das lethargische Taumeln der
Menschen erweist sich mehr und mehr als untergründig choreografiert, die
Gegenwart von der Vergangenheit bestimmt.
Raphaela Edelbauer erzählt in ihrem Romandebüt eine unter die Haut
gehende, magisch anmutende Geschichte, die sich im Fortgang als
zunehmend realistisches Österreichbild entpuppt, in dem außer dem
Ortsnamen nur wenig fiktiv zu sein scheint.
(ak)
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