Michael Merrill
Louis Kahn. Drawing To Find Out
The Dominican Motherhouse
and the Patient Search for Architecture
(Englisch)
Lars Müller Publishers, 2010
Zeichnungen erzeugen Zeichnungen oder, dem Buchtitel folgend, Zeichnen
um herauszufinden was ein Raum, ein Gebäude, eine Architektur sein will
– so lautet die mysteriöse Botschaft, die die zahllosen, auf nahezu 250
Seiten gesammelten gelben Skizzenblätter vermitteln wollen. Sie
repräsentieren die gewaltige, vierjährige Entwurfsarbeit, an deren Ende
die Verwandlung des Landsitzes Windy Hill bei Media in Pennsylvania in
ein Dominikanerinnen-Kloster stehen sollte – ein Projekt, das nie
verwirklicht wurde. Nicht-verwirklichte Projekte waren bei Louis Kahn
(1901-1974) nicht selten, aber was sein Büro zu Ende seines Lebens in
erhebliche Geldnöte bringen sollte, hat seiner Stellung als einem der
Großen der Architektur des 20. Jahrhunderts nie geschadet, eher im
Gegenteil.
Der jüdische Architekt, zu dessen wichtigsten Bauten das Salk Institute
bei San Diego, das Kimbell Art Museum im texanischen Fort Worth oder das
erst Jahre nach seinem Tod in den 1980ern fertig gestellte
Regierungsviertel von Bangladesch in Dhaka zählen, galt in religiösen
Fragen als nicht festgelegt und hat sich mit Aufträgen christlicher,
jüdischer und muslimischer Institutionen befasst. 1969 schrieb er: „Das
Kloster, das ich mache, könnte als Eingangsort ein Tor bekommen. Eine
Einladung an alle Religionen wird es schmücken, … Aber sie erhalten
ihren Platz nur am Tor, denn die Unantastbarkeit des Klosters muss
bewahrt werden.“
Mit der ingenieurtechnischen Radikalität seiner Bauten kontrastiert die
fast spirituelle Kahn’sche Herangehensweise, dies unendlich geduldige
Lauschen auf Inspiration, das in die Tendenz mündet, sich selbst hinter
dem Werk verschwinden zu lassen. Dem von Skizze zu Skizze immer wieder
neuen Gruppieren von Bauteilen, die durch ihre Anordnung herausfinden
sollen, was sie als Gesamtgebilde eigentlich sein wollen, haftet etwas
Meditatives an. Zitate aus Kahns Schriften betonen diesen kontemplativen
Klang: “Jeder Raum hat seine eigene besondere Beziehung zu den Wäldern –
die Feierlichkeit der Wälder klingt harmonisch im Charakter der Zelle
wieder.“
Michael Merrill, der am Karlsruher Institut für Technologie lehrt, hat
die faszinierende Entwurfsflut zusammengestellt, mit einer Einleitung
versehen und begleitet den Fortgang dieser work in progress mit
knappen Kommentartexten. (ak)
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