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Johannes
Bobrowski
Gesammelte Gedichte
Herausgegeben von Eberhard Haufe
Deutsche Verlags-Anstalt, 2017
Beisleiden
ist der deutsche Name des polnischen Dorfes Bezledy im Norden der
Woiwodschaft Ermland-Masuren und der Titel eines Gedichts, in dem
Johannes Bobrowski (1917-1965) so von seiner Herkunft spricht: „weil ich
dem Wehlaut gehör, / dem Quellmund / der Völker hinter den Hügeln, / in
der Ebene wie aus Wälderzeiten, den Lüften, / befahren vom Vogelsturm
–“. Das ist keine herkömmliche Natur- und Heimatdichtung, aber dennoch
die Schilderung landschaftlichen Geschehens und heimatlicher Geografie,
und darüber wie Folien mythische und historische Themen, persönliche wie
allgemeine, alles sich wechselseitig einfärbend und sich Konkretion und
Bedeutung gebend.
Der 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte Dichter lebte im
Ostberliner Friedrichshagen literarisch lange in einer Art selbst
gewählter Schattenzone. Seine ersten Gedichte nach den 40er Jahren
erschienen 1955 in der von Peter Huchel geleiteten Zeitschrift Sinn
und Form. Erst 1961 und 1962 kamen die Lyrikbände, Sarmatische
Zeit und Schattenland Ströme, nahezu zeitgleich in der DDR
und in der BRD heraus. Die Einladung zur Gruppe 47, 1960, und ihr
Preis zwei Jahre später brachten Bobrowski, der sich in beiden deutschen
Staaten umstandslos bewegen konnte, unter Kollegen in Ost und West und
im Ausland ins Scheinwerferlicht. Doch die Verortung seines Werks in der
ostpreußischen Landschaft seiner Kindheit und Jugend mit ihren
deutschen, baltischen, slawischen und jüdischen Namen und Mythen – einer
Landschaft, auf der bis heute noch die Deutungshoheit der
Vertriebenenverbände lastet – war auch für die Schriftstellerkollegen
eine Herausforderung.
Die klangvoll-rhythmische Odendichtung Bobrowskis und sein Vers, der
nach eigenem Bekunden „wahrscheinlich wieder mehr Zauberspruch,
Beschwörungsformel wird werden müssen“, tat ein Zusätzliches. Auf den
heutigen Leser übt die magisch-realistische, aus der osteuropäischen
Landschaft gewonnene, Naturbildlichkeit eine Faszination aus, wie sie in
seiner Hauptschaffenszeit, den kargen Nachkriegsjahrzehnten, nicht zu
erzielen war.
Das Gedicht Wiedererweckung, 1964 geschrieben und zwei Jahre
später, postum, in dem Band Wetterzeichen publiziert, ist
geeignet die Suche nach dem mehr verzaubernden oder beschwörenden Vers
zu verdeutlichen. In der zweiten Strophe heißt es: „Zähl / die Gräser /
und zähl / Fäden aus Regenwasser, / und Licht, die Blättchen / zähl, und
zeichne ein / deine Schritte, Wildspuren, / und Stimmen, beleb / mit
Worten / das Blut in den Bäumen und / den Lungen, den Rost / schlag von
Wänden / und Stufen ...". Bobrowskis ganzes Sein
ist in Landschaftlichkeit verwoben. Er beklagt den Verlust der
heimatlichen Natur- und Menschenlandschaft wie den einer Geliebten. Sein
Klagelied, das hoch über den Niederungen dumpfer Ressentiments schwebt,
gilt nicht dem an Polen, die Sowjetunion oder das heutige Litauen
verlorenen Stück Land sondern seiner Lebenswelt – einem
Menschheitsverlust.
Der 750 Seiten starke Lyrik-Band enthält in der ersten Abteilung die
Gedichte aus Sarmatische Zeit, Schattenland Ströme und
Wetterzeichen, dazu verstreut Veröffentlichtes, dann die Gedichte
aus dem Nachlass und schließlich den Anhang mit Nachwort, Anmerkungen
Bobrowskis, seinen Lebensdaten, einem alphabetischen Verzeichnis und
einem Verzeichnis nach Entstehungsdaten. (ak)
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