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Klaus Birnstiel
Wie am Meeresufer 
ein Gesicht im Sand 

Eine kurze Geschichte des Poststrukturalismus


Wilhelm Fink Verlag, 2016


Der Strand ist Randzone, in der Wasser und Sand im ewigen Spiel von Manifestierung und Zerfall Formen und Grenzen immer wieder neu verhandeln. Das Bild eines in den Sand gezeichneten Gesichts, das von einer heranrollenden Welle fortgespült wird, entliehen von Michel Foucault, der so „ingrimmig-apokalyptisch“ die Bestandslosigkeit der menschlichen Wissenssysteme veranschaulichte, ist das Arbeitsmotiv bei Klaus Birnstiels Betrachtung des Poststrukturalismus.
Foucaults berauschendes Fest, das über drei Dekaden, ausgehend von Frankreich, die westlichen Geisteswissenschaften in seinen Bann geschlagen hat, ist laut Birnstiel vorüber und er möchte diesen Moment nutzen, um eine „Geschichte des Poststrukturalismus als Vorwissen unserer Gegenwart“ zu schreiben oder auch die Überreste der Party aufzuräumen, wie er es nennt.  

Was ist dieser Poststrukturalismus, dessen „zwei konkurrierende Leitsterne“,Jacques Derrida und Michel Foucault, mit ihren theoretischen Ansätzen einen beispiellosen, interdisziplinären Widerhall erzeugt haben? Keine Schulmeinung habe er erschaffen und laut Kritikern habe er durch begriffliche Unschärfe, durch vage Theoriebildung und durch eine Haltung, die sich vollkommen den Regeln des etablierten Wissensdiskurses entzieht, eine `wirkliche´ wissenschaftlichen Konfrontation unmöglich gemacht. 
Er ist vor allem, so Birnstiel, eine Poetisierung der Wissenschaft und hat somit auch folgerichtig den Weg in die Literatur gefunden. Mit der Dekonstruktion von Wissen und Wissenssystemen, mit der Verkündung des Endes der Geschichte, fordert der Poststrukturalismus die `alte´ Wissenschaft heraus, ohne dabei das Schlachtfeld der aufgeklärten Wissenschaften als das seinige anzuerkennen.  Fachliche Grenzen als „intellektuelle Stimmung und als Denkstil“ hinwegfegend, gelang ihm diese Breitenwirkung, die das Ende der Moderne verkündet und die mit religiöser Gewissheit verehrte Aufklärung radikal in Frage stellt.  
Den poetischen Anteil an der Wissenschaft führt Birnstiel mit der historiographischen Arbeit von Greg Denings ein, die sich als Erklärungsmodell für „was-ist-Geschichte?“ die pazifische Inselwelt,  ihre Boote und Strömungen, und immer wieder den Strand, gewählt hat.
Treibgut liegt im Sand - die Relikte einer anderen Zeit und Bedeutungsträger ihrer früheren Bestimmung, in einer neuen Umgebung,  ihrer kulturellen, religiösen, geschlechtlichen und sonstigen Zuschreibungen entrissen - und ist nur noch ein ferner Widerhall einer Geschichte, die in ihrer Materialhaftigkeit neuen Bestimmungen zugeführt wird, zu einer Hütte oder einem Zaun verbaut wird oder, als Kunstsouvenir an Touristen verkauft, an den Urlaub erinnern soll.

Diese kurze Geschichte des Poststrukturalismus macht eine Rundumschau, die von  Strukturalisten wie Ferdinand de Saussure, Claude Lévi-Strauss und Roland Barthes ausgeht,  Poststrukturalisten unterschiedlicher fachlicher Ausrichtung betrachtet und insbesondere den Blick auf die Spuren richtet, die, wie in in den Romanen der deutschen Schriftsteller Dietmar Dath und Thomas Meinecke, der Poststrukturalismus in der heutigen Literatur, im Feuilleton und der Popkultur hinterlassen hat. (hkl)


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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2016 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 14. November 2016