Bild-Performanz
Herausgegeben von Ludger Schwarte
Wilhelm Fink Verlag, 2011.
In der vorliegenden Sammlung aus 16 Beiträgen verschiedener Autoren wird
eine Bildtheorie angedacht, nach der dem Bild die Fähigkeit des
Handelns, der Performativität zugeschrieben und diskutiert wird.
Zunächst ist man mit dem Widerspruch konfrontiert, der sich bei diesem
Gedankenexperiment ergibt: das erstarrte Bild, dem ein visueller,
materiell fixierter, aus dem Lauf der Zeit genommener Eindruck zugrunde
liegt, in eine Theorie des Prozesses, in eine Abfolge von Ereignissen
und aktiver Einflussnahme zu integrieren.
Einen Vorläufer findet diese Vorstellung in der Theorie der
Performativität von Sprache in der Schwesterwissenschaft Linguistik.
Die These der Philologin Judith Butler, versetzt zum Beispiel Sprache
von dem passiven Instrument der Kommunikation und des Versuchs des
Menschen, Wirklichkeit zu fassen, in die Position einer aktiven
Einflussnahme auf die Wirklichkeit. Sprache schafft in ritualisierter
Form, in Sprechakten, Wirklichkeiten eines normierenden Diskurses.
Folgt man nun Wittgenstein, so ist es im Unterschied zum sprachlichen Akt
des „Sagens“, das „Zeigen“ oder „sich Zeigen“ der Akt des Bildes, das
als Abstraktum zum Inbegriff des Instruments der Erkenntnistheorie
aufgewertet wird.
Wie „wirklichkeitsmächtig“ sind Bilder? Kann man Bilder als visuelle
Zeichen einer kulturell codierten Sprache lesen?
Das zu untersuchende Feld ist enorm groß. Neben dem klassischen Bild,
das man vielleicht im Gemälde sehen kann, neben Ikonen, Fotografien und
dem tableau vivant, werden auch der Film, als ablaufende Bildsequenz und
das Wittgensteinsche Bild, das nahe an das Konzept der Idee heranrückt,
behandelt.
Arbeiten, wie die Vilém Flussers zur fotographischen Geste, in der er
das fortwährende Suchen des Fotografen nach einem Standpunkt wirken
sieht oder David Freedbergs Frage, was das Anschauen von Bildern mit uns
mache, vergrößern den Untersuchungsradius um den Schaffensprozess und
die Rezeption von Bildern.
Die Auseinandersetzung mit der „wirklichkeitsschaffenden Kraft“ der
Bilder beschäftigt ein Autorenkollektiv aus Philosophen,
Kunsthistorikern, Film- und Medienwissenschaftlern und Germanisten und
füllt 391 Seiten. Die behandelten Abbildungen reichen von Gemälden, etwa
von Goya und Kandinsky, Standaufnahmen aus Filmen, der Detailaufnahme
eines Auges von der Statue des Rahotep, Portraitaufnahmen bis zu
Zeichnungen aus den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald oder
der abstrakten Kunst Piet Mondrians.
(hkl)
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