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Fabian Grossenbacher

Dialektik des Bildlichen

Zum Sprachdenken Walter Benjamins 



Verlag Narr Francke Attempto
, 2016

Ein Strudel, der in einem Fluss die vorbeiströmenden Wassermassen in einen konzentrierten Punkt hinein zieht, ist das Bild, das Grossenbacher wählt, um sich Walter Benjamins Idee vom Ursprung zu nähern. Die Frage nach dem Ursprung von Sprache konstituiert Benjamins Sprachtheorie und zeigt analog dem Bild des Strudels, dass sie sich nicht mit einer linearen Zeitvorstellung vereinbaren lässt. Der Ursprung nährt sich in einer zurückgewandten Bewegung aus dem, was er erschafft. In der Zeit fragmentiert, in einzelne Schritte und Sequenzen zerteilt, die Brüche und für den logischen Geist auch unmögliche Rückbezüglichkeiten erschaffen, wird die Metapher in ihrer bildhaften Unbedingtheit sinnhaft.
Grossenbacher erarbeitet den Zusammenhang von ursprünglicher Sprache und kindlicher Sprache, etwas, das sich über das ganze Werk Benjamins hinzieht und immer wieder in seinen Texten auftaucht – in seinen anthropologisch oder philosophisch ausgerichteten Aufsätzen und akademischen Schriften, in seinem Passagen-Werk, in der autobiographischen Skizze Kindheit in Berlin, in seinen pädagogischen Aufsätzen oder seinen Rezensionen zu Kinderbüchern.  In dem „mimetischen Vermögen“ des Menschen, im kindlichen Drang des „Nachahmens“  findet Benjamin einen Schlüssel zum Verständnis von Sprache, der dem Bildlichen, der Geste, dem Darstellenden  oder Schaustellenden eine größere Wichtigkeit als dem ausgeformten Ton und der Stimme zuschreibt.   In den einzelnen Kapiteln zu Farbe und Fantasie, Schreibenlernen und Graphologie geht Grossenbacher  speziell auf die Beziehung der Sprache zum Bildlichen bei Benjamin ein. In der Dialektik des bildlichen und sprachlichen Ausdrucks sieht Grossenbacher ein dauerndes Spannungsverhältnis, das sich aus der Widersprüchlichkeit von zeitlich-dynamisch entwickelnder Sequenz und bildlich-unvermittelter Starre ergibt; und doch sind es beide Qualitäten – so zeigen es die Benjamin-Lektüre und seine Ausführungen zum Sprachdenken – aus denen die Sprache gewoben wird.

Ein eigenes Kapitel widmet der Autor Benjamins Aufsatz über Kafka. Nach eigener Aussage versucht Benjamin Kafka „aus der Mitte seiner Bildlichkeit“ zu erklären, da er bei ihm eine lineare Interpretation als eine vollkommene Unmöglichkeit ansieht. Er begreift das Kafka'sche Werk als „Kodex von Gesten“,  eine Ansammlung von „Kafkagesten“, von Fragmenten, die zu immer neuen Bildern und Konstellationen zusammengefügt werden können und so nach dem ursprünglichen Bild, der eigentlichen Einheit, drängen. (hk)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008-2017 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 21. Februar 2018