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Christine Lavant
Gedichte aus dem Nachlass
Wallstein verlag , 2017


Ibn Arabi
Der Übersetzer der Sehnsüchte: Gedichte. 
Aus dem Arabischen 
von Stefan Weidner
 
Verlag Jung u. Jung, 2016

 

Franco Beltrametti
Zweiter Traum / 
Secondo sogno
Ausgewählte Gedichte
Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch
Limmat Verlag 2014

 

 

Alice Oswald

46 Minuten im Leben der Dämmerung
Gedichte

aus dem Englischen von Iain Galbraith und Melanie Walz
und mit einem Nachwort von Iain Galbraith

S. Fischer Verlag, 2018

Memorial ist nach Oswalds Vorbemerkung „eine Ausgrabung aus der Ilias“, der es nicht darum geht die Handlung des homerischen Epos sondern seine „grelle unerträgliche Wirklichkeit“ wiederzugeben. Das Langgedicht gedenkt mehr als zweihundert, eher weniger prominenten Kriegern des Trojanischen Krieges. Auf knappe biografische Details folgt die verstörend-präzise Schilderung der Art ihres Sterbens und dieser Totenklage schließt sich ein gleichnishaftes Echo - ein Nachklang - an, in dem das individuelle Elend als unausweichlich und schon immer so erscheint, „Wie ein Tropfen Feigensaft in Milch getan“ oder „Wie Spreu die beim Dreschen umherfliegt“.
Diese Sprache, die sich zwischen der Erhabenheit klassischer Dichtung u
nd der Kälte von Pathologie-Berichten bewegt, euphorisiert und erschüttert zugleich.

Der zweite Teil des Buches umfasst alle Gedichte aus Falling Awake, dem 2016 erschienenen, sechsten Lyrikband Oswalds, dessen Titel, hier nur sehr vorläufig, mit Fallen – Erwachen übersetzt wird. Wieder gibt es die anatomischen Bestandsaufnahmen, wie „einen Blick auf den blanken Servierteller des Brustbeins“ aus Schwänin oder „unterm beinernen fenstersturz meines Blicks“ aus Blick Nach Unten – beides Umkehrungen, im ersten Fall der Blick des Vogels zurück auf seine verwesenden Überreste, im zweiten das Spiegelbild der wolkigen Himmelslandschaft in einer Pfütze. Den Schluss des Bandes bildet das grafisch, entlang einer Zeitleiste angeordnete, 33 Seiten lange Gedicht Tithonos. 46 Minuten im Leben der Dämmerung. Einer Einführung entnimmt man, dass sich die Morgenröte in Tithonos verliebte und Zeus bat, ihn unsterblich zu machen, aber das sie zu bitten vergaß, ihn auch nicht altern zu lassen.

Man würde die Dichterin, die es gewohnt ist, ihre Gedichte auswendig zu rezitieren, gern beim Vortrag dieser Tragödie erleben, auch wie sie die häufigen weißen Stellen spricht und die zwei ganz unbeschriebenen mittleren Seiten.
In einem Zitat im Nachwort wünscht Oswald im Unterschied zum gewohnten linearen Lesen von Romanen oder Artikeln: „... ich hingegen möchte, dass die verschiedenen Teile meines Gedichts simultan wirken und im Schweigen schweben.“ Und unmittelbar berühren, möchte man anfügen. Alice Oswald ist studierte Altphilologin und Berufsgärtnerin. Beide Befassungen hallen machtvoll in ihren Versen wieder.
(ak)

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 Stand: 03. Dezember 2018