Ruinen in der Moderne:
Archäologie und die Künste
Herausgegeben von
Eva Kocziszky
Reimer Verlag, 2011
Ruinen lösen den Widerspruch von vergangener und gegenwärtiger Zeit auf
und führen sie in einem Moment sinnlicher Erfahrung zusammen. Sie sind
die sichtbaren Boten des Vergangenen und eine Projektionsfläche des
Gegenwärtigen. Als Botschafter der Vergangenheit künden sie von der
Größe des antiken Griechenlands oder des alten Roms. Gleichzeitig sind
sie Zeichen für etwas Vergessenes und Vergangenes.
Erst die Neuzeit holt die Ruine aus ihrer Vergessenheit hervor. Sie wird
zum Gegenstand der Reflektion über Geschichte und zum Ort des
melancholischen Nachsinnens über den Untergang einer idealisierten,
antiken Welt.
Die Ruine als Vergehendes an sich, als sinnliche Erfahrung von
Vergangenheit, Gegenwart und von einer Vision in die endliche Zukunft,
wird in der Moderne zur Spiegelfläche für die Selbstbetrachtung des
Menschen.
Neunzehn Autoren gehen in dieser Aufsatzsammlung auf gut 400 Seiten der
Frage nach, wie die Wissenschaft der Archäologie Bilder der
Vergangenheit erschafft und ob sie darin nicht dem künstlerischen Prozeß
gleicht, also Dichter, Maler und Archäologen voneinander lernen?
In drei Kategorien unterschieden, behandeln die Aufsätze die Beziehung
dieser „Archäologie der Einbildungskraft“ zur Geschichtsschreibung, zu
Kunst und Medien und zur Literatur. Der durch die Ruine angestoßene Akt
des Erinnerns bewirkt einen kreativen Prozess, in dessen Verlauf
Vergangenheit re-konstruiert wird. Und es sind auch gerade die bildenden
und dichterischen Künste, die Interesse am Alten erwecken und die mit
ihrer künstlerischen Form der Erinnerungsarbeit zum Grundstein der
Rezeptionsästhetik werden.
Eine postmoderne Betrachtung der Wellenbewegung, des sich historisch
wiederholenden Vergessens und Erinnerns bestätigt die alte Weisheit,
dass Schönheit, Faszination oder Abscheu im Auge des Betrachters liegen
und dieser aus einer sich fortwährend wandelnden Kultur mit veränderten
ästhetischen Vorlieben schaut.
Wenn sich in der Ruine Zeit verdichtet, so fungiert die Methode der
Archäologie, Vergessenes freizulegen, wieder hervorzubringen und zu
erinnern, als Klammer, die Geschichte, Philosophie, Psychologie, Kunst
und Literatur miteinander verbindet. Ob bei Nietzsche, bei Freud, bei
Rilke oder im Prozess der nationalen Identitätsfindung Italiens im 19.
Jahrhundert, die Vergangenheit zu erforschen ist immer vor allem die
Suche nach dem eigenen Ursprung und damit verbunden die Hoffnung auf
eine Erklärung des Selbst.
(hkl)
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