Ruinen in der Moderne: Archäologie und die Künste
Eva Kocziszky (Herausgeber)
René Burri, der große Menschenfotograf, berühmt für seine
Portraitaufnahmen, wie den Zigarre rauchenden Che Guevara, dokumentiert
in diesem Fotoband die Entstehung Brasilias, der modernen Kunststadt par
excellence. Das Bildmaterial reicht von den Anfängen des Bauprojektes,
1958, bis in die späten 1990er Jahre.
Als Verwirklichung eines Utopia wurde die vom Architekten Oscar Niemeyer
geplante und realisierte Stadt gefeiert. Im Zentrum Brasiliens gelegen,
im Dschungelgebiet weitab von den großen Metropolen des Landes, ist
Brasilia ein gigantischer architektonischer und gesellschaftlicher
Entwurf zugleich. Kritiker nannten den Präsidenten, der den Bau
Brasilias gegen alle Widerstände durchsetzte „Pharao Kubitschek“, warfen
ihm Größenwahn vor.
Burri war von dem Projekt beeindruckt. Anfangs nur für drei Wochen, auf
der Suche nach einem Thema für eine große Fotoreportage gekommen, blieb
der Fotograf ein halbes Jahr und kehrte immer wieder zurück.
Das Bild Brasilias in der Weltöffentlichkeit wurde maßgeblich durch die
Fotografie kolportiert, die gleichzeitig eine Vermarktungsstrategie des
futuristischen Großunternehmens war und ihren Ausdruck in der
gleichnamigen Zeitschrift Brasilia fand. Viele Fotografen bedienten das
Bild der modernen Stadt mit strengen Architekturaufnahmen,
mathematisch-abstrakter Formenschönheit und zu Statisten reduzierten
Menschen. René Burri dagegen stellte in seiner Dokumentation der
Entstehung der Stadt den Menschen ins Zentrum.
Man kann die gut 200 Seiten starke Reportage in drei Phasen einteilen.
Den Anfang machen Eindrücke von staubigen Straßen, ärmlichen Hütten,
allen möglichen Transportfahrzeugen und Luftaufnahmen einer im
Niemandsland gelegenen Baustelle.
Es folgen Bilder des Architekten und seines Stabes beim planen, von
Arbeitern, die in großen Metallgerüsten klettern, von Handwerkern bei
der Montage. Zu den megalomanischen Bauwerken, den geraden und
geschwungenen architektonischen Linien, die alle von dem „großen Wurf“
zeugen, setzt Burri Menschen als Kontrapunkte, die die riesigen
Dimensionen der Baukunst erst deutlich machen und die Vision des
Architekten mit Leben füllen.
Die letzte Phase zeigt den Einzug, die Inbesitznahme: Funktionäre,
Bedienstete, Familien, Friseure. Teilweise wirken sie verschüchtert und
verloren in einer unwirklichen Stadt, auf anderen Bildern hat der Alltag
Menschen und Stadt bereits miteinander in Einklang gebracht. Dank der
Anordnung der Fotos, unter ihnen zahlreiche bisher unveröffentlichte
Aufnahmen, liest sich der Band in der Spannung von architektonischer
Perfektion und menschlicher Wärme, von Farbaufnahmen und den, für Burri
typischen, Schwarz-Weißfotos wie eine Bildergeschichte.
Dem ist ein kurzer Bericht Renée Burris über seine erste Begegnung mit
der unfertigen Stadt, der Baustelle und ihren Menschen nachgestellt.
Diese Eindrücke, sowie ein kurzer Essay des Herausgebers zu Burri und
Brasilia, sind jeweils in Deutsch und Englisch abgedruckt.
(hkl )
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