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Ich will Zeugnis
ablegen bis zum letzten.

Tagebücher 1933 - 1945. 2 Bände

Victor Klemperer

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Peter Heather

Invasion der Barbaren
Die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus

Aus dem Englischen von Bernhard Jendricke, Rita Seuß,
Thomas Wollermann.


 


Lange herrschte in der europäischen Geschichtsschreibung bei dem Stichwort Völkerwanderung das Bild einer mehr oder weniger planlosen Massenmigration von barbarischen Völkern vor, die im 1. Jahrtausend das mittelmeerische Imperium der Römer durch ihr „Einsickern“ zerschlugen und auf deren völkische Besonderheiten sich die Gründungsmythen zahlreicher moderner europäischer Staaten stützen. Dem setzt Heather die These von einem einheitlichen Reaktionsmuster der kleinen, unentwickelten politischen Einheiten des barbarischen Europa entgegen, die mit ihrer kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kraft auf die Ungleichheit der antiken imperialen Ordnung antworteten und neue Gruppenidentitäten schufen. Die Massenmigration stellt er nicht in Frage, aber er sieht in ihr nicht die Ursache des Wandels, sondern seine Folge.
Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis macht den Anspruch einer Gesamtdarstellung deutlich: Migration und Staatenbildung von Hunnen, Germanen, Slawen und Wikingern zeichnen das Bild einer ersten, sich vor dem Hintergrund von erstarkenden Erbdynastien abzeichnenden europäischen Einheit. Durch Handel, auch mit außereuropäischen Reichen, wie Byzanz und den Kalifaten des Nahen Ostens, neue Waffentechnologie und das Aufkommen der Burgenarchitektur stellten sich Reichtum und Sicherheit eines nicht geographisch, sondern kulturell-militärisch bestimmten Mitteleuropas ein.
Den Begriff des Barbaren, in der Antike ein Pejorativ, benutzt Heather wertfrei. So vermittelt er kein Bild von wilden unzivilisierten Volksmassen. Ebenso wenig stützt er die soziologische These eines relativ friedlichen durch Migration erzwungenen Übergangs zu neuen Herrschaftsformen. Er erzählt vielmehr die Erfolgsgeschichte einer aggressiven militärischen Strategie, in deren Ergebnis sich Völker assoziierten oder neu erschufen, die als Vorläufer der heutigen europäischen Staaten und ihrer Einheit betrachtet werden können.
Nach seiner Lehrtätigkeit am University College in London, an der Yale University und am Worcester College in Oxford, ist Peter Heather heute Professor für mittelalterliche Geschichte am King´s College in London. Der geschichtliche Großentwurf zur Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus ist der Perspektivenwechsel zu dem viel beachteten, 2005 im englischen Original erschienenen Der Untergang des Römischen Weltreichs. Der Natur von geschichtlichen Darstellungen dieser Größenordnung entsprechend, erhebt Heather nicht den Anspruch auf letzte Genauigkeit, sondern versucht eine Interpretation, die sich mit heutigen Erkenntnissen der Migrationsforschung, archäologischen Funden und dem dritten Newtonschen Gesetz der imperialen Herrschaft deckt. In seinen Worten: „Imperiale Macht erzeugt eine Gegenmacht, die mit der Zeit das imperiale Schwert stumpf werden lässt.“ 
(hkl)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 18. April 2011