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Nationale Identität und Schweizer Heimeligkeit made by Peter Zumthor: Architektur und Identitätskontruktionen zwischen Klischees und Image

Katja Marek (Autor)

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Henning Ritter

Notizhefte

Berlin Verlag, 2011


Welchen Reichtum an Gedanken hätten wir, wenn jeder seine Lektüre ab dem Alter von 15 Jahren in Form von Notizen dokumentieren würde. Die Re-Lektüre dieser Mitschriften ließe den Wissensberg und die Befassung mit ihm ins Unendliche anwachsen. Dieses Bild entwirft Henning Ritter in seinem Buch und erinnert damit an die Metapher Walter Benjamins vom zurückweichenden Engel der Geschichte, der, den Rücken der Zukunft zugewandt, sich den unaufhörlich anwachsenden Trümmern der Vergangenheit gegenüber sieht oder an den Welt-Bibliothekar Jorge Luis Borges und seinen Kosmos sich kreuzender und sich aufeinander beziehender Kurzgeschichten.
Der langjährige Feuilletonschreiber der FAZ gibt einen Einblick in seine Arbeit, reflektiert sie und lässt sie so zum Kommentar ihrer selbst werden. Die fertig formulierten Versatzstücke zu Philosophie und Kultur bilden den Rohstoff für potentielle oder realisierte Beiträge.
Im Einzelnen behandeln die Notizen eine Vielzahl von Philosophen, Geisteswissenschaftlern und Schriftstellern von Rousseau und Hegel, über Kierkegaard und Ortega y Gasset, bis zu Freud und Büchner. Obwohl der Autor sich bescheiden zurücknimmt, ist die Aufführung dieses gigantischen Kanons abendländischen Wissens überwältigend. Die Fragmente kommentieren etwa den Zeitgeist der Kunst, der so beständig neue Formen des Ausdrucks hervorbringt, dass er das Neue, das etwas Altes ablösen könnte, als Idee abschafft. Oder sie wagen Gedanken zum Umgang der Deutschen mit ihrer Täterrolle und ihrem Eingeständnis der Schuld als kultureller Grundhaltung, hinter dem sich der Versuch der moralischen Überwindung dieser Rolle vermuten lässt.
Die einleitende Feststellung des Autors, nach der die Notizen, obwohl als nicht für die Veröffentlichung bestimmte Arbeit begonnen, eine stilistische, ästhetische und thematische Kohärenz oder eine Art inneren Leitfaden aufweisen, der sie für den Druck prädestiniert, wirft die Frage auf: Welches ist dieses eigene, vom Autor nicht intendierte innere Band des aus vielen Fragmenten bestehenden Textes? In der Eigenschaft des Feuilletons, das aktuelle Anlässe kommentiert und gleichzeitig den vorläufig letzten Beitrag zur geistigen Befassung und Diskursschöpfung darstellt, also sowohl flüchtig, kommentierend und ereignishaft, als auch traditionell verbunden und fortschreibend ist, dürfte dieser innere Zusammenhang der Notizen zu suchen sein.

Die auf gut 400 Seiten getroffene Auswahl aus Eindrücken, Einfällen und Überlegungen zur Geisteswelt unserer Zeit und ihren großen philosophischen Impulsgebern, türmt tatsächlich den angesprochenen Wissensberg auf, der durch kein Datum oder Thema weiter strukturiert wird. Nur die Regelmäßigkeit der zwischen 1990 und 2009 festgehaltenen Notizen drückt den inhaltlichen Verlockungen ihren disziplinierenden Stempel auf. 
(hkl)

                                                 
 

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 04. August 2011