Axel Honneth
Das Recht der Freiheit
Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit
Suhrkamp Verlag, 2011
Freiheit, besonders individuelle Freiheit als Schlüsselidentifikation
des postmodernen Menschen, lässt sich nicht rechtlich, normativ oder
politisch erreichen, sondern muss in sozialer Praxis und in sozialen
Kämpfen entstehen und erfochten werden. Die Philosophie kann dabei
versprachlichen und verfeinern und eine Analyse der gesellschaftlichen
Reproduktionsverhältnisse und ihrer moralischen und ethischen
Implikationen beisteuern. Axel Honneth (geboren 1949), Schüler von
Jürgen Habermas und Vertreter der „Frankfurter Schule“ beginnt seine
Abhandlung des Freiheitsbegriffs mit der Frage: Was ist gerecht? In der
Antike noch mit der leicht nachzuvollziehenden Absichtsbekundung, jedem
das seine zu geben, entschieden, fällt das Urteil heute weit weniger
deutlich aus.
Als Grundlage zieht Honneth den Gerechtigkeitsbegriff von Hegel heran.
Der misst die Gerechtigkeit sozialer Institutionen und Praktiken an
ihrem Vermögen, die ihnen zugedachte Rolle in der ethischen
Aufgabenteilung einer Gesellschaft zu verwirklichen. Diese „normative
Rekonstruktion“ gerät dabei leicht in den Verdacht eine konservative,
weil System bejahende Methode zu sein. Hegel lebte lange vor dem
Holocaust, diesem „Zivilisationsbruch“, der den idealistischen und
positivistischen Gerechtigkeitsbegriff zusammenstürzen lies. Honneth
behauptet die Gültigkeit der Hegelschen Methode dennoch aus ihrer
kritischen Anwendung heraus: Die bestehende Wirklichkeit und die ihr
zugrunde liegende ethische Richtschnur soll zu Gedanken anregen, wie
diese tatsächlich institutionell oder in den Handlungen verwirklicht
werden kann. Der Vorteil dieser Methode, deren reformistisches Potenzial
sich auf kleine Schritte der Veränderung beläuft, ist, entgegen der
Position eines neuen philosophischen Wurfs, die Praxisnähe.
Der Rückbezug auf Hegels „Rechtsphilosophie“ ist somit Kritik an der
aktuellen Philosophie der liberaldemokratischen Gesellschaft, die sich
durch Produktion von normativen Prinzipien auszeichnet, ohne eine
Gesellschaftsanalayse damit zu verbinden.
So zurückhaltend sich der Autor bei der Formulierung neuer
philosophischer Wege gibt, so anspruchsvoll erscheint die philosophische
Gesamtdarstellung des Freiheitsbegriffes, beginnend mit einer
historischen Herleitung über die Möglichkeiten rechtlicher und
moralischer Freiheit bis hin zu der Wirklichkeit der Freiheit. Zu der
Einschätzung, in den Bereichen der individuellen und sozialen Freiheit
in Westeuropa große Errungenschaften erreicht zu haben, bei denen die
Französische Revolution, die nationalen Konstitutionen und die
antifaschistischen Kämpfe des 20. Jahrhunderts nur die am deutlichsten
wahrnehmbaren Ereignisse und Institutionen sind, kommt die Warnung
hinzu, sich nicht auf das Erreichte, auf Institutionen und Recht zu
verlassen, da diese die Freiheit nicht von selbst schaffen und sie auch
wieder in Frage stellen können. (hkl)
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