Jacques Derrida
Das Tier, das ich also
bin.
Passagenverlag 2011.
Philosophie ist, die richtigen Fragen zu stellen: Was ist die Welt? - oder
- Was ist der Mensch? Diese zentralen philosophischen Fragen sind die
konkretesten und allgemeinsten zugleich und ihnen liegt immer die
Frage nach dem Sein zugrunde.
Derrida, Begründer und wichtigster Vertreter der Dekonstruktion, nähert
sich den Fragen auf indirekte und unerwartete Weise. Das Tier, das ich
also bin ist ein 1997 gehaltener Vortrag, der sich mit zusammen mit
einem transkribierten Audio-Mitschnitt als Nachtrag und dem
Anmerkungsteil auf 275 Seiten erstreckt. Doch Derridas letztes großes Projekt, das Tier als
Antagonist des Menschen zu dekonstruieren und dagegen eine Philosophie
des Menschen im
Angesicht des Tieres zu stellen, blieb dennoch unvollendet.
Jacques Derrida entdeckt in der Frage nach dem Sein der Philosophien von Aristoteles bis
Heidegger, der Idealisten bis zu den Realisten, neben bloßen Dogmen, die keine wirklichen philosophischen
Erkenntnisse darstellen, den Versuch, mit der Unterscheidung zwischen
Mensch und Tier über die schuldig gebliebene Antwort hinwegzutäuschen.
Die Abgrenzung zum Tier, wird in der
abendländischen Philosophie zu einem den Menschen konstituierenden Mittel.
Die Eigenschaften, die den Menschen auszeichnen, wie Vernunft, Kultur,
Bewusstsein, Technik und Kleidung, unterscheiden ihn vom Tier. Derrida
fragt nun, ob es dem Menschen zusteht dem „Tier“, welch fragwürdige
Vereinheitlichung, denn immerhin setzt sich die Welt der Tiere aus einer
unfassbaren Vielfalt zusammen, all diese Attribute abzuerkennen und sie
gleichzeitig, dem „vernunftbegabten Tier“, dem Menschen, zuzusprechen?
Der Logozentrismus, auf dem diese Abgrenzung basiert, da der Mensch also
über seinen Verstand, über sein „ich denke“ zu der Antwort „ich bin“
kommt, ist für Derrida eine Ablenkung.
Im Kern ist sein Entwurf die Verhandlung des Selbst mit dem „Anderen“.
Das „Tier“ als Teil der wilden Natur, die der Mensch überwunden haben
will, wird mit der gleichen Begründung entrechtet und durch Zwang zum
Vieh, zum domestizierten Haustier gemacht, wie Kriege gegen sogenannte
"wilde", "unzivilisierte" Nachbarn geführt werden.
Der französische Originaltitel „Le animal que je suis“ lässt neben der
deutschen Übersetzung „Das Tier, dass ich also bin“ auch die Lesart „das
Tier, dem ich folge“ zu. Derrida öffnet sich dem Fremden und zeigt
Grenzen so auf, dass wo sie zugleich Übergänge darstellen.
Die Dekonstruktion hebt die Gewalt hervor, die die Philosophie, die nach
Affirmation sucht, dem Tier aber auch dem Menschen antut und
stellt ihr eine Vielfalt von möglichen Perspektiven entgegen. Das „Tier“
existiert nicht, es existieren viele Tiere und Worte für sie.
Derrida benutzt deshalb konsequent den Begriff l´animot. Neben der Mischung aus
den Worten "animal" und "mot" für "Tier" und
"Wort" klingt es wie der Plural "animeaux" der
Plural von "animal" und versinnbildlich die Polyphonie möglicher Aussagen zu der
Frage - Was ist der Mensch? (hkl)
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