Stanley Cavell
Cities of Words.
Ein moralisches Register
in Philosophie, Film und Literatur
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und
eingeleitet von Maria-Sibylla Lotter
Chronos Verlag, 2011
Wenn die ganze Welt von
Filmen fasziniert ist, warum beschäftigt sich dann die Philosophie nicht
mit der Frage, was die Menschen an ihnen finden?
Der US-amerikanische Philosoph Stanley Cavell (geboren 1926) beklagt,
dass die moderne Philosophie sich nicht mehr mit den wichtigen Themen,
den lebensnahen, wenngleich unsicheren Fragen und Problemen
auseinandersetzt und sich stattdessen mit allgemeinen Begriffsklärungen
aufhält.
Cavells Philosophie rückt das Betrachten selbst in das Zentrum des
Interesses und hier spannt sich der Bogen zum Film. Als Teil der Künste,
neben Bildender Kunst, Literatur und Musik, lässt der Film den Menschen
intuitiv erfassen, betrachten und kontemplieren. Sein „moralischer
Perfektionismus“ will weg vom Dogma und einer argumentativ und
ergebnisorientierten Belehrung. Viel zu ungenau ist Sprache und die
Beziehung zwischen Gesagtem und Gemeintem, als dass sie eine
allgemeingültige und von jedem verwertbare Erkenntnis hervorbringen
könnte. Fragen und Themen und ihre Bearbeitung in der Diskussion sollen
dagegen gedankliche Möglichkeiten oder Hindernisse aufzeigen und einer
kritischen Beschäftigung mit dem Selbst und seiner Einbindung in
Konventionen und Überzeugungen dienen.
Cavells Philosophie – jeder sollte sich, unabhängig von Spezialisierung
und Bildung, zu gesellschaftlichen und politischen Themen äußern können
und verschiedene Ausdrucksformen sollten gleiche Beachtung finden –
erweist sich als fundamental demokratisch und will dem Menschen, ganz im
Sinne Platons, zu einem aus der Dunkelheit ans Licht gelangten,
kritischen und eigenständigen Selbst verhelfen.
„Cities of Words“ ist die Überarbeitung einer Vortragsreihe, die
wichtige Vordenker für Cavells eigene philosophische Befassung
vorstellt. Das Besondere an dem Band, das aus ihm mehr als eine bloße
Philosophiegeschichte macht, ist, dass neben den Philosophen, wie
Platon, Emerson, Nietzsche, Kant und Locke, auch Freud und Shakespeare
je ein Kapitel gewidmet ist und darüber hinaus jedes zweite Kapitel
einem Film aus der goldenen Zeit Hollywoods zwischen 1934 und 1949. Die
Filme, die sich der Komödie und dem Melodram, also eher seicht
anmutenden Genres zuordnen lassen, sollen mit ihrer Alltagssprache und
mit ihren scheinbar banalen Stoffen der Philosophie das nötige Leben
einhauchen. Wie bei der rein philosophisch-wissenschaftlichen Arbeit
richtet Cavell besondere Aufmerksamkeit auf den Gebrauch von Sprache und
auf das, was die filmischen Dialoge bei dem Zuschauer bewirken.
Polyphonie, die in ihrer Aufspaltung in eine Vielzahl von Einzelstimmen
anstatt einer suggestiven Belehrung einen möglichen Weg bietet, wird zur
philosophischen Methode.
Der Philosoph fordert folgerichtig den Leser direkt zur Interaktion auf.
Das Buch ist keine passiv zu konsumierende Schrift, sondern versteht
sich als Fortführung des ursprünglichen Seminars, an dem der Leser nun,
mit größerer Freiheit als im universitären Rahmen, teilnehmen und
mitgestalten kann, da er Zeit, Ort und Reihenfolge der Veranstaltung nun
selbst bestimmt.
Übersetzt und eingeführt von Maria-Sibylla Lotters steht der 2004 im
amerikanischen Original erschiene Band in einer Reihe jüngst
übertragener Texte, die ein Indiz für das steigende Interesse an Cavells
Arbeiten im deutschsprachigen Raum sind. (hkl)
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