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Ich will Zeugnis
ablegen bis zum letzten.

Tagebücher 1933 - 1945. 2 Bände

Victor Klemperer

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David Mazzucchelli.

Asterios Polyp.

Aus dem amerikanischen Englisch von Thomas Pletzinger

Eichborn Verlag, 2011


Ein Blitz lässt das Haus von Asterios Polyp in Flammen aufgehen und legt damit sein ganzes bisheriges Leben in Trümmer. Das geschieht an seinem 50sten Geburtstag und nur ein Schweizer Taschenmesser, ein Andenken an seine ewig geliebte und doch so ferne Frau, kann er auf der Flucht vor den Flammen retten. Das tiefsinnige Comic-Roman-Debüt von David Mazzucchelli sprüht vor Witz und Esprit. Die allzu menschlichen, materiellen, wie psychischen Abhängigkeiten und Muster eines vergleichbar winzig anmutenden und flüchtigen Lebens versöhnt der Autor mit der Größe des Universums, mit seinen Himmelskörpern und dem erhabenen Thema der Liebe.

Eine Anstellung als Hilfsmechaniker in einer Autowerkstadt auf dem Land wird für Asterios Polyp der Kontrapunkt zu seinem früheren Leben als Stararchitekt. Eine Serie von Flashbacks führt in verschiedene Abschnitte seiner Vergangenheit zurück, in Träume, die ihn verfolgen und Schreckens- und Heldenvisionen, die, hoch stilisiert, eine rigide und zugleich getriebene Persönlichkeit zeichnen.
Asterios, der eineiige Zwilling, ist der Erzähler der Geschichte: „Einer lebte, einer war tot“. Ignazio, der nie das Licht der Welt erblickt hat, begleitet seinen Bruder wie ein Schatten. Der platonischen Vorstellung eines achtgliedrigen Urwesens folgend, dass dann in Mann und Frau geteilt wurde, befindet sich Asterios auf einer zweifachen Suche nach seinem vollständigen Selbst. Neben dem so tragisch entrissenen Bruder und seiner innig geliebten, aber schonungslos zurückgestoßenen Frau Hana, scheint Asterios auch einer Wiedervereinigung mit seinem eigenen Leben bitter zu bedürfen.
Sein Konterfei ist, dem Architektenberuf entsprechend, ein Produkt aus drei Zirkelschlägen. Der verkopfte Architekt zerfällt in geometrische Formen, wird Teil von gedanklichen Sternensystemen, in denen die Köpfe seiner Mitmenschen seinen eigenen Kopf in elliptischen Bahnen umkreisen. Die Kapitel sind je nach Stimmung gelb oder rosa, gemischt farbig oder schwarzweiß gezeichnet. Auch der Strich ändert sich immer wieder, wird von der gestochen scharfen, blauen Linie des kalten und rationalistischen Asterios zur verwischt unscharfen, sich aus vielen roten Einzelstrichen zusammensetzenden Gefühlsmatrix seiner Frau Hana.
Die Anordnung der Bilder erinnert in ihren Detailaufnahmen und Serienbildern an Kameraführung, die dann im Auszoomen das Haus des Geschehens, die umgebende Landschaft und schließlich die Gestirne mit einbezieht. Dann wiederum verbinden sich die verschiedenen graphischen Muster zu ganzen Psychogramm-Kollagen. Minimalistische Stilisierungen oder verschwommene Konturen, das Bild verbindet sich kunstvoll und nie zufällig mit der Stimme aus dem Off und den Dialogen. Die Ansätze „seiner“ eckigen und „ihrer“ runden Sprechblasen umschlingen sich und verschmelzen zum deckungsgleichen „Ruhe in Frieden“, das zur Erfüllung ihrer Liebe wird und auf ihr astronomisches Schicksal hinführt, das in seinem Namen schon angelegt ist.  
(hkl)

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 18. August 2011