Lite ra
RIsches
Berlin

 Home

 Lesungen Dichter in Berlin Literarische Orte Neue Bücher Kulturstadtführer Impressum

  Welt-Philosophien - Buchbesprechungen

 

  
 

 

 

 

Ich will Zeugnis
ablegen bis zum letzten.

Tagebücher 1933 - 1945. 2 Bände

Victor Klemperer

bestellen bei

 


Jan Assmann

Religio duplex.
Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung

Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, 2010

Ein „hockaktuelles Angebot zu Frieden und Verständigung unter den Religionen“ sei das Konzept der religio duplex, das in allen großen Religionen eine Zweiteilung erkennt. Nur die sichtbaren, exoterischen Seiten der Religionen, die offenbarten Religionen unterscheiden sich voneinander. Die esoterische Seite dagegen – der Autor nennt sie die natürliche Religion oder Religion der Philosophen – eint Judentum, Christentum und Islam mit den ägyptischen oder griechischen Polytheismen, die alle das Heraklit´sche hen kai pan, die All-Einheit suchen.
Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Zweiteilung der ägyptischen Religion. Sie unterscheidet die öffentliche Volksreligion und die geheimen und somit heiligen, dem Kreis der Priester vorbehaltenen Mysterien. Diese Teilung findet ihren Ausdruck in einem sensus literalis und einem sensus mysticus der heiligen Schriften. Um ihnen den tieferen Sinn abzuringen, d.h. um die äußere Hülle überwinden und zum Kern gelangen zu können, bedarf es einer sakramentalen Ausdeutung.
Der Rabbi Maimonides deutet in diesem Sinne im 12. Jahrhundert das Judentum als doppelte Religion, die eine Innenseite und eine Außenseite aufweist. Von John Spencer aufgegriffen, entfaltet die Vorstellung des doppelten Sinns eine eigene Wirkungsgeschichte im Abendland, die zu dem Höhepunkt der Theoriebildung einer religio duplex im 18. Jahrhundert führt.
Besonderes Augenmerk legt Assmann auf die Freimaurer, die sich ihrem Geheimbund-charakter gemäß, als Träger des inneren, esoterischen Wissens verstanden. Zum Ende des 18. Jahrhunderts trennten sie sich von dieser Position, nach der sie sich von den Mysterien des Jerusalemer Tempels herleiteten. An ihre Stelle trat ein Forschungseifer, mit dem in allen Geheimbünden und Mysterien der Welt nach Vorläufern gesucht wurde. Dies ist Gegenstand des zweiten Teils des Bandes, der vierzehn Beiträge des „Journals für Freymaurer“ wiedergibt.
Ein bekanntes Beispiel für die freimaurerische Umsetzung der religio duplex findet Assmann in Mozarts Zauberflöte, die auf den ersten Blick als ein Märchen in der Tradition des Wiener Volkstheaters erscheint, sich dann aber als ägyptisches Mysterienspiel erweist, das aus Aberglaube und Unwissenheit zum Licht der Vernunft führen soll.
Wie soll nun das zweigliedrige Konzept, das Religionen in eine Volksreligion und einen elitären inneren Kreis der Wissenden und damit Mächtigen unterteilt, für Frieden in der Welt sorgen?
Der Autor führt den Kosmopolitismus Lessings an und Moses Mendelssohns Begriff der „Menschenreligion“, um das Konzept der religio duplex aus dem 18. Jahrhundert herauszuheben und für das Heute nutzbar zu machen. Die Differenz unterschiedlicher Religionen zu akzeptieren wird durch das Wissen um den gemeinsamen inneren Kern, um die gemeinsame Motivation, zur Pflicht. Bei keinem anderen als Mahatma Gandhi findet sich im 20. Jahrhundert diese Vorstellung wieder, der zur religiösen Toleranz aufrief, da allen Religionen die eine Religion zu Grunde läge. Gerade Indien ist heute ein Herd blutiger, religiöser Konflikte, die dringend einer Lösung bedürfen.
In seinem kulturwissenschaftlichen Exkurs zu Religion zeigt der Autor einen solchen Weg zum Frieden auf. Bis zu seiner Emeritierung 2003 hatte der vielfach ausgezeichnete Professor knapp 30 Jahre lang den Lehrstuhl für Ägyptologie in Heidelberg inne. Heute lehrt er als Honorarprofessor für allgemeine Kulturwissenschaft an der Universität Konstanz. 
(hkl)

***
bestellen bei 



 


           

   

   
Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 18. August 2011