Hans Christoph Buch
Apokalypse Afrika
Oder Schiffbruch mit Zuschauern
erschienen im Eichborn
Verlag
1995 wird der Autor Augenzeuge des Massakers von Kibeho, bei dem Tutsi
Soldaten der Nationalen Volksarmee Ruandas an 80 000 zusammengetriebenen
Hutuflüchtlingen für den Genozid des vorhergehenden Jahres Rache nahmen.
Tausende starben, Buch selbst wird von einem der Blauhelmsoldaten, die
wie Statisten der Szene beiwohnen, gerettet.
In dem Essayroman erscheint dieses Erlebnis als „eine Urszene, die mich
in Alpträumen bis heute verfolgt und die zur Urzelle meines Schreibens
geworden ist.“
Ein steuerlos umher driftendes Schiff, von dem Rest der Flotte bewusst
aufgegeben, wird zum Leitbild des Romans. Ihrem Schicksal überlassen,
vernichten sich die Menschen in einem kannibalistischen Exzeß
gegenseitig und nur Wenige überleben.
Die Kapitel des Buchs sind teils fiktive Texte, teils journalistische
Reportagen. Die Verbindung von geschichtlichen Recherchen, von
Eindrücken des Kriegsberichterstatters Buch, mit der Eingängigkeit der
Fiktion, ist die Methode, die die Demütigung, den Missbrauch und die
endzeitlichen Zustände eines ganzen Kontinents dem Leser zugänglich
macht.
Ein Schreckensbild reiht sich an das andere. Eine schriftliche Anfrage
aus dem Jahr 1815, den Leichnam einer Frau, die Hottentotten-Venus
genannt wird, dem Museum für Naturgeschichte zur Erforschung einer kaum
bekannten Menschenrasse, zu überstellen, reiht sich an fiktive
Opferberichte von sexuellem Missbrauch an den Bediensteten im Haushalt
eines weißen Herren in Südafrika oder von der menschenräuberischen
Ausbeutung von jungen Männern auf See. Zynische Gespräche von windigen
bundesrepublikanischen Schriftstellern und Diplomaten, in denen
„Wohltätigkeitsveranstaltung“, diplomatisches Theater und Prostitution
zu einem unentwirrbaren nicht voneinander zu trennenden Moloch werden,
bringen die Handlung in die unmittelbare Gegenwart.
Ein dem Roman nachgestellter offener Brief an Bundespräsident Horst
Köhler von 2008 erklärt, warum der Schriftsteller dem Leser diese
Aneinanderreihung von Schrecken zuzumutet. Der Aufruf ermahnt die
Politik, keine freundschaftlichen Beziehungen zu Menschen verachtenden
Regimen zu unterhalten, und Verantwortung für die koloniale Geschichte
und die gegenwärtige Wirtschaftspolitik zu übernehmen. An der
Gleichgültigkeit des Bundespräsidenten ist dieser Appell abgeperlt. Umso
mehr ist er auf die Empfänglichkeit der Leser angewiesen.
Die beigegebenen Schwarz-Weiß-Fotos aus den Kriegsregionen
Zentralafrikas konfrontieren uns mit einer Realität, die man lieber
nicht kennen möchte. Buch beschreibt sie als „die Tragödie (eines)
Volkes, die gegen meinen Willen Teil meiner eigenen Geschichte geworden
ist, eine Geschichte blutiger Verstrickungen, bis heute fortdauernd und
ausweglos …“. Wegzuschauen ist keine Option.
Das Buch erscheint aufwendig und schön gebunden in der Reihe „Die Andere
Bibliothek“ im Eichborn Verlag.
(hkl)
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