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Dominique Laure Miermont

Annemarie Schwarzenbach.
Eine beflügelte Ungeduld.

Biographie

Erschienen im Ammann-Verlag, Zürich, 2008.



Von ihrer Schönheit und ihrem Wesen waren viele hoffnungslos angezogen. Klaus Mann nannte Annemarie Schwarzenbach einen „untröstlichen  Engel.“ Mit ihrem kosmopolitischen Intellekt und ihrer sozialen Empfindsamkeit vermochte sie, als weltreisende Journalistin, Schriftstellerin und Fotografin, Verlage und Publikum für sich einzunehmen. Ihre spirituelle Sehnsucht nach Einheit und ihre Suche nach Wissen um das Mysterium der Welt, berührte ihre innigsten Freundinnen und Freunde. Anhand der Zeugnisse aus den Büchern, Essays und Tagebüchern Annemarie Schwarzenbachs und den noch vorhandenen Korrespondenzen und Berichten ihrer vielen Freundinnen und Weggefährten entfaltet D. L. Miermont Kapitel für Kapitel das exotische Leben einer Reisenden mit ihren inneren und äußeren Zwängen und Dualismen in allen Stationen ihres Lebens. Es ist das Ringen einer talentierten Frau mit dem Sein, die in dieser Welt nie richtig heimisch wurde. Mehr als dreißig Fotos, die Annemarie Schwarzenbach oder sie zusammen mit Freundinnen oder Freunden zeigen und in die Biographie eingefügt sind, steigern die Ausstrahlung dieses Berichtes über ein außergewöhnliches Leben.

Hineingeboren, 1908, in eine vermögende, bürgerlich-konservative Schweizer Familie, schien A. Schwarzenbach alle materiellen Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer besonderen Begabungen zu haben. Doch sie krankt an dem Zwiespalt von Liebe und Rebellion gegenüber der Familie, vor allem gegenüber der alles beherrschenden Mutter. Früh leidet sie unter der drohenden „schwarzen Wolke“, wie sie das heraufziehende Deutschland Hitlers kennzeichnet; ihre Familie dagegen wünscht sich den Sieg der Nationalsozialisten und unterhält später Beziehungen zu führenden Nazis. A. Schwarzenbach dagegen, die eine tiefe, andauernde Freundschaft mit Klaus und Erika Mann verbindet, wird zusammen mit ihnen Flüchtlingen helfen, aus dem nationalsozialistischen Gewaltsystem zu entkommen und die Stimmen von Exil-Schriftstellern in einer, von Klaus Mann herausgegebenen Zeitschrift für ein freies Europa sammeln. Wie sehr sie darüber hinaus unter den „widerstreitenden Elementen ihrer Persönlichkeit“ leidet, „wund vor Andersartigkeit und Einsamkeit“, zeigen die Aufzeichnungen von mehreren Reisen in den Orient: ihre Persienreise, auf der sie den dortigen französischen Gesandten Claude Clerac heiratet und mit ihm in die Märchenhaftigkeit einer persischen Garten-Oase zieht oder eine spätere Reise mit dem Ziel Afghanistan und Kafiristan, die sie zusammen mit der Genfer Reiseschriftstellerin Ella Maillart unternimmt. Antrieb dieser Unternehmungen ist immer ihr Wunsch zu fliehen. Flucht vor den Zwängen der Familie, Flucht vor der „Dunkelheit in Europa“, Flucht vor ihrer zunehmenden Abhängigkeit von Morphinen. Doch unterwegs, wünscht sie sich bald sehnlichst die Rückkehr, krank am Europa ihrer Zeit, mit dem Wunsch dort zu wirken, einsam ohne ihre Freundinnen, die sie zurückgelassen hat. Und sie wird ihren Lebensschmerz in immer neuen Drogenexzessen zu lindern suchen. „Nichts dauert, nichts rundet sich, nichts ist zu halten“, zitiert die Autorin aus einem ihrer Briefe.
Über allem steht jedoch, „wie ein Gottesdienst“, ihre Hingabe an das Schreiben. Mit einer geradezu „visionären Kraft“ verfasst sie Reiseberichte, Sozialreportagen, Essays und Romane, transformiert derart dieses ihr so schwierige Leben und findet in der Arbeit Schönheit und Sinn. Aus ihrem Tagebuch das sie in Persien noch „Tod in Persien“ nannte, wird später ihr Roman „Das glückliche Tal“. Ihr letztes Buch, „Das Wunder des Baumes“, entsteht an den Ufern des Kongo. Die Kritik bezeichnet es als „Roman einer spirituellen Entwicklung … ebenso magisch wie wunderbar“, wünscht sich jedoch erhebliche Kürzungen. Während A. Schwarzenbach dieses Buch neu zu fassen sucht, entsteht ein völlig anderer Text. Trotz der „Herbheit“ dieser Zeit, „diese Stunden, … in denen sie sich bemühte, eine Welt außerhalb unserer normalen Grenzen zu erreichen, waren ihre glücklichsten“ schreibt eine Freundin. Der ursprüngliche Roman wird zum Prosagedicht „Marc“. D. L. Miermont zitiert aus dem unveröffentlichten und unvollendeten Manuskript: „Wie kann man das ausdrücken, was vielleicht nicht mehr unsere Zunge ist? …Wie einst vor der weißen Seite, / die von unseren Schmerzen nicht berührt / die unser Zweifel unbefleckt ließ. Und / nichts ist neu als die alltägliche Anstrengung.“

Nach Jahren abenteuerlicher und aus den unterschiedlichsten Gründen gefährlicher Reisen nach Russland, Amerika, Persien, Afghanistan, Indien, Afrika, nach schwerer Erkrankung an Malaria und Blutvergiftung, nach Selbstmordversuchen, Entzugsaufenthalten in Kliniken und geschlossener Psychiatrie, stirbt Annemarie Schwarzenbach 1942 in ihrem Haus in Sihls im Engadin an den Folgen einer Kopfverletzung, die sie sich bei einem Sturz mit dem Fahrrad zuzog, als sie versuchte freihändig zu fahren – „wie einst“.

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Literatur in Berlin: www.literarisches-berlin.de  © 2008 yuba edition / Brigitte Pross-Klappoth (Berlin)
 Fotos © B.Pross-Klappoth (wenn nicht anders angegeben)
 Stand: 23. März 2011